Gemeiner steinbock
Ein Alpensteinbock hat im Durchschnitt eine Kopfrumpflänge von 150 cm und eine Schulterhöhe von 90 cm. Geißen sind etwa 40 kg schwer, wohingegen Böcke über 100 kg wiegen können. Der Bock verfügt über ein imposantes, gebogenes Gehörn (bis zu 1 m Länge), während die Geiß nur kurze, kaum gebogene Hörner hat. Die Böcke besitzen einen Ziegenbart. Böcke haben im Sommer ein dunkelbraunes Fell; das Fell der Weibchen ist mehr rötlich oder goldbraun. Im Winter wird das Fell beider Geschlechter gräulich.
Im Jahr 2012 wurden am Rotmoosferner im hinteren Ötztal, Österreich, Reste eines Alpensteinbocks ausgegraben und untersucht. Sie wurden als mindestens 3.300 Jahre alt bestimmt und belegen, dass die Exemplare damals etwas größer ausgebildet waren. Der 40 cm lange Teil eines Horns wurde erstmals 2014 im Archäologiemuseum Bozen ausgestellt.
In den Alpen lebt der Steinbock auf der Höhe zwischen der Wald- und Eisgrenze. Dabei steigt er bis in Höhen von 3500 m auf. Im Winter bleibt er allerdings in tieferen Lagen als im Sommer, und auch im Sommer steigt er zum Fressen oft auf alpine Wiesen ab, während er zum Übernachten die großen Höhen aufsucht.
Eine Steinbockherde setzt sich aus zehn bis zwanzig Weibchen und Jungtieren zusammen. Daneben gibt es die weniger stabilen Junggesellenherden noch nicht ganz ausgewachsener Böcke sowie einzeln lebende alte Böcke. Zur Fortpflanzungszeit in den Monaten Dezember/Januar suchen die Böcke die Weibchen auf und versuchen, Kontrolle über die Herde zu erlangen. Zwischen konkurrierenden Böcken kommt es dabei zu Kämpfen. Ein Bock muss mindestens sechs Jahre alt sein, um eine Chance zu haben, diese Kämpfe zu überstehen und einen Harem zu gewinnen. Über den Winter bleibt der Bock bei der Herde und verlässt sie im Frühling.
Nach einer Tragzeit von fünf bis sechs Monaten kommt im Zeitraum Mai bis Ende Juni ein Jungtier (Kitz), selten auch zwei, zur Welt. Das Junge kann vom ersten Tag an laufen und wird ein Jahr lang vom Muttertier gesäugt. Danach fressen Steinböcke unter anderem Gräser und Kräuter. Die Lebensdauer eines Steinbocks kann über zwanzig Jahre betragen.
Die Wiedereinbürgerung des Steinwildes in den Alpen hat in einigen Regionen gezeigt, dass Steinwild einen großen Einfluss auf die sie umgebende Landschaft hat. Aufgrund der in den 1920er Jahren wieder eingebürgerten Steinböcke nahm im Bereich des Schafbergs und des Piz Albris bei Pontresina im Oberengadin die Hangabtragung zu. Verantwortlich dafür waren Vertritt-Schäden des Steinwildes.
Alpensteinböcke sind Pflanzenfresser (Grassfresser, Blattfresser). Sie ernähren sich hauptsächlich von Gräsern, Blumen, Sträuchern, Quellen und anderen Pflanzen. In der Sommersaison steigt der Bedarf an Wasser und die Steinböcke suchen nach Gebieten mit einer konstanten Wasserquelle.
Alpensteinböcke sind polygyn, d.h. ein Männchen kann sich mit einer Reihe von Weibchen paaren. Die Tiere beginnen im Spätherbst mit der Paarung. Die Männchen nehmen an Kämpfen teil, um zu entscheiden, wer sich mit einer Gruppe von Weibchen paaren wird: der Gewinner darf sich mit 10 bis 20 Weibchen paaren. Die Trächtigkeit dauert etwa 6 Monate. Danach bringt ein Weibchen ein einzelnes Jungtier zur Welt, normalerweise im Mai. Die Jungtiere sind sehr aktiv und beginnen, sobald sie aus dem Mutterleib kommen, herumzuspringen. Die Jungen schließen sich im ersten Monat ihres Lebens Gruppen von anderen Jungtieren an. Nach weiteren 4-6 Monaten werden sie entwöhnt. Alpensteinböcke erreichen die Geschlechtsreife im Alter von 8 Monaten bis 1 Jahr, beginnen aber erst im Alter von 2 oder 3 Jahren mit der Zucht.
Obwohl der Alpensteinbock derzeit nicht vom Aussterben bedroht ist, zog er in der Vergangenheit Jäger wegen seiner majestätischen Gehörne an. Außerdem herrschte der Glaube, dass bestimmte Teile seines Körpers pharmazeutische Zwecke erfüllen könnten. Aus diesen Gründen haben die Menschen sie gejagt, um daraus Profit zu schlagen. In ihrem Lebensraum sind Alpensteinböcke in ihrem Element: den zerklüfteten Felsen und den rauen Wetterbedingungen. Aufgrund der Anfälligkeit für Krankheiten und Parasiten sowie der Gefahr, dass ihre Jungen von Luchsen oder Steinadlern geraubt und gefressen werden, suchen Alpensteinböcke jedoch nach größeren Grasflächen, von Schneegrenzen bis hin zu Alpenwäldern. Dadurch kommen sie zu nahe an menschliche Siedlungen heran und werden manchmal mit Domestizierungen von Hausziegen gekreuzt. Eine weitere erhebliche Bedrohung für den Alpensteinbock sind menschliche Eingriffe in Form von Bergsteigen oder Wandern.
Der Alpensteinbock ist nicht gefährdet (IUCN Least Concern). In der Schweiz leben 17.147 Tiere (Stand 2011) und in Italien 13.500 Steinböcke, das entspricht zusammen zwei Dritteln der Gesamtpopulation in den Alpen, die etwa 45.000 Tiere umfasst. In der Schweiz, wo die erfolgreiche Wiederansiedlung 1920 angefangen hatte, wird der Bestand seit 1977 durch Jagd reguliert.
Der Bestand in Österreich, wo 1924 die ersten Tiere erfolgreich wieder angesiedelt werden konnten, beläuft sich auf 4500 Tiere. Die Wiederansiedlung von Alpensteinböcken findet in der Regel breite Unterstützung bei der Bevölkerung und bei den Kommunen, da ein Bestand von Steinböcken häufig in der touristischen Vermarktung von alpinen Ferienorten genutzt wird.
In den französischen Alpen leben circa 10.000 Steinböcke (Stand 2014), vor allem im Nationalpark Mercantour, auf dessen bis 1947 zu Italien gehörendem Gebiet in den Seealpen bereits im Jahr 1921 die Wiederansiedlung begann, und im Nationalpark Vanoise, der mit circa 2500 Tieren die größte französische Steinbockpopulation aufweist.
In Deutschland gibt es fünf Populationen: zwei kleinere in der Nähe vom Graswangtal/Ammerwald sowie in der Nähe von Bayrischzell und drei größere in den Allgäuer Alpen, an der Benediktenwand und im Hagengebirge. Der Beginn der Wiederbesiedlung in den deutschen Alpen war 1936 bei Berchtesgaden. Bei einer offiziellen Zählung 2010 ermittelten Förster und Jäger 450 Alpensteinböcke in Bayerns Bergen; im Sommer 2016 waren es bereits 730. In Slowenien liegt der Bestand bei 400 Individuen an frei lebenden Alpensteinböcken. Im Jahr 1971 tauchten die ersten Exemplare auch in Liechtenstein am Falknis auf.
Als Pflanzenfresser hat der Alpensteinbock einen spürbaren Einfluss auf die Pflanzengemeinschaft und kontrolliert deren Verbreitung. Andererseits kontrollieren Steinböcke als Beutetiere die Population von Prädatoren in ihrem Lebensraum.