Eurasische wolf, Europäischer grauwolf
Der Eurasische Wolf (Canis lupus lupus), von manchen deutschen Autoren als Europäischer Grauwolf bezeichnet, ist eine Unterart des Wolfes (Canis lupus), der zur Familie der Caniden gehört.
Der Eurasische Wolf erreicht eine Widerristhöhe von etwa 70 bis 90 Zentimeter und eine Kopf-Rumpf-Länge bis zu 140 Zentimeter. Das Gewicht liegt meist zwischen 30 und 50 Kilogramm. Zwischen Wölfinnen und Wolfsrüden besteht ein Geschlechtsdimorphismus: Rüden sind meistens größer und schwerer als Fähen. Im Gegensatz zu wolfsähnlichen Haushunden sind Wölfe hochbeiniger und haben eine gerade Rückenlinie, während sie bei Hunden oft zur Rute hin abfällt. Die Rute des Eurasischen Wolfs ist buschig und gerade. Wölfe haben tendenziell kleinere Ohren, die zudem innen dicht behaart sind.
Das Fell Eurasischer Wölfe ist gelblichgrau, graubraun oder dunkelgrau gefärbt. Die Unterseite des Fangs und die Kehle sind heller, die Rückseiten der Ohren erscheinen leicht rötlich. Die Rückenfärbung weist in den meisten Fällen einen dunklen bis schwarzen Sattelfleck auf. Ebenfalls dunkler gefärbt sind oftmals die Rutenspitze und die Vorderseite der Vorderläufe.
Das die Verteilung der Pigmente bestimmende Gen auf dem Agoutilocus ist stets aw das sich im Phänotyp als die typische Wildfarbe wolf-sable ausgeprägt. Die einzelnen Haare weisen eine Bänderung auf, die das Fell meliert aussehen lassen. Im Unterschied zu Unterarten wie Tundrawolf und Polarwolf kommen keine Aufhellungsfaktoren vor, die das Fell zu beige oder weiß aufhellen, und anders als beim Timberwolf keine Gene für schwarze Exemplare.
Da junge erwachsene Wölfe nach dem Verlassen ihres Herkunftsrudels manchmal sehr weite Strecken als Wanderwölfe zurücklegen, bevor sie in einem weit entfernten Gebiet einen Paarungspartner finden, mit dem sie zu standorttreuen Wölfen werden und sich fortpflanzen, ist es bei dieser Tierart oft schwierig, eine Abgrenzung zwischen Unterarten vorzunehmen. Populationsgenetische Analysen zeigten auf der Basis von drei genetischen Merkmalen eine Reichweite von 650 bis 850 km. Das bedeutet, die genetische Vielfalt einer Wolfspopulation kann von bis zu 850 km entfernten Populationen beeinflusst werden. Aus morphologischen und molekulargenetischen Untersuchungen kennt man Unterscheidungskriterien, wobei aber auch Merkmalsüberschneidungen festgestellt werden. Hieraus ergibt sich beim Canis lupus lupus eine große Variationsbreite innerhalb Eurasiens. Dem entsprechend findet man Individuen mit sehr unterschiedlichen äußeren Merkmalen.
Der Eurasische Wolf ist über weite Teile Eurasiens verbreitet. Der größte Teil seines Lebensraums befindet sich in Russland und im asiatischen Teil des eurasischen Kontinents. Die Vorkommen in Osteuropa bilden mit den Wölfen in Estland, Lettland, Litauen, Ostpolen, den Karpaten und der Ukraine eine ausgedehnte baltisch-osteuropäische Population, die sich stetig nach Westen ausbreitet. Sein Verbreitungsgebiet erstreckt sich von Ostsibirien über den europäischen Teil Russlands bis nach Skandinavien sowie über Osteuropa (Polen, Tschechien und die Slowakei) bis nach Mitteleuropa und Westeuropa (Frankreich) sowie nach Südosteuropa (Griechenland, Bulgarien, Rumänien) und Südeuropa (Italien, Spanien). Der in Italien hauptsächlich vorkommende Italienische Wolf gilt bei manchen Autoren als eigene Unterart, wird aber von anderen dem Canis lupus lupus zugeordnet. Durch das Wanderverhalten der Wölfe lassen sich die Unterarten nicht immer durch Zuordnung zu bestimmten Gebieten klar voneinander abgrenzen. Auf der Arabischen Halbinsel gibt es Populationen des Arabischen Wolfs, der heute dem Eurasischen Wolf zugeordnet wird.
Der Eurasische Wolf besiedelt verschiedene Lebensräume, von Wäldern bis zu offenen Graslandschaften in verschiedenen Klimazonen von der subpolaren Zone bis in die Subtropen. Die Größe der Reviere von Wolfsrudeln variiert zwischen 100 und 300 Quadratkilometern in Mitteleuropa und 2500 Quadratkilometern in höheren Breiten.
Durch im Wesentlichen aus Karelien zugewanderte Wölfe erfolgte die Besiedlung Schwedens und Norwegens. Sie bilden heute eine grenzübergreifende skandinavische Population.
Als Großraubtiere erbeuten Eurasische Wölfe vorwiegend Huftiere wie Rehe, Rothirsche, Damwild, Wildschweine, Hasen und in einigen Regionen auch Elche und Wisente. Bevorzugt werden Jungtiere, aber auch ältere und kranke Tiere, die weniger schnell fliehen können und einfacher zu überwältigen sind. Auch Nutztiere wie Schafe, Ziegen, Rinder, vor allem Kälber, sowie Pferde, vor allem Fohlen, zählen zur Beute.
Eurasische Wölfe werden mit etwa zwei Jahren geschlechtsreif. Paarungszeit ist vom Spätwinter bis in den März. Die Tragzeit dauert ungefähr neun Wochen. Ein Wurf besteht meist aus vier bis sechs Welpen, die vom gesamten Rudel großgezogen werden. Nach ein bis drei Jahren verlassen die Jungtiere ihr Rudel, siedeln sich in einem neuen Revier in der Nähe ihres alten Rudels an oder wandern fort.
Der Schutzstatus des Eurasischen Wolfs bzw. der Art, zu der er als Unterart gehört, ist in den Ländern seines Vorkommens unterschiedlich. In den Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist er in den Anhängen der FFH-Richtlinie entweder im Anhang IV oder im Anhang V gelistet, in einigen gleichzeitig in Anhang II. In den Ländern außerhalb der EU hängt sein Schutzstatus davon ab, ob sie zu den Unterzeichnerstaaten der Berner Konvention und/oder des Washingtoner Artenschutzabkommens gehören (siehe auch Wolf#Gesetzlicher Schutz).