Der Himalaya-Tahr (Hemitragus jemlahicus) ist eine in der Himalaya-Region lebende ziegenartige Paarhuferart. Auch wenn der Himalaya-Tahr bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wissenschaftlich beschrieben wurde, wurde seine Lebensweise erst im Verlauf des 20. Jahrhunderts detaillierter untersucht.
Himalaya-Tahre ähneln den verwandten Ziegen. Sie haben einen stämmigen Körperbau mit kurzen, kräftigen Beinen. Diese Tiere erreichen eine Kopfrumpflänge von 90 bis 140 Zentimeter, eine Schulterhöhe von 65 bis 100 Zentimeter und ein Gewicht von 36 bis 90 Kilogramm. Der Schwanz misst 17 Zentimeter. Adulte Himalaya-Tahre können ein Gewicht von bis zu 90 Kilogramm erreichen.
Die Rückenlinie ist abfallend. Das Fell des Himalaya-Tahrs ist lang und zottelig und rotbraun bis graubraun gefärbt; charakteristisch für diese Art ist die dichte Mähne im Halsbereich, die sich bis auf die Vorderbeine erstreckt. In den Sommermonaten ist ihr Fell deutlich kürzer und heller. Die Ohren sind klein und zugespitzt, die Schnauze wie bei allen Tahren unbehaart. Beide Geschlechter tragen Hörner. Diese sind nach hinten gebogen und seitlich abgeflacht und können bis zu 45 Zentimeter lang werden. Die Hörner der Weibchen sind meist deutlich kleiner.
Himalaya-Tahre leben in Asien, ihr Verbreitungsgebiet umfasst die Himalaya-Region von Kaschmir bis ins westliche Bhutan. Ihr Lebensraum sind vorwiegend mit Wald bestandene Bergländer. In Nepal kommen sie in Höhenlagen zwischen 2.500 und 4.400 Metern vor, ihr Verbreitungsgebiet erstreckt sich dabei über mehrere Vegetationszonen. Zu ihrem Lebensraum gehören immergrüne Rhododendron-Wälder genauso wie alpine Matten mit Zwergsträuchern und Gräsern.
Auf der neuseeländischen Südinsel gibt es eine große, ausgewilderte Population, die auch bejagt wird. Kleinere, eingeführte Gruppen von Himalaya-Tahren gibt es auch in Kanada, den USA und Südafrika.
Diese Tiere sind vorwiegend am frühen Morgen und am späten Nachmittag aktiv, tagsüber ruhen sie im Schutz von schroffen Felsen oder dichter Vegetation. Sie sind geschickte Kletterer und gelten als scheue Tiere. Während der Wintermonate wandern sie in tiefergelegene Gebiete ab. Sie leben in Gruppen zusammen, die 2 bis 23 Tiere umfassen. Diese Gruppen bestehen entweder nur aus Weibchen und deren Nachwuchs oder können auch gemischtgeschlechtliche Gruppen sein. Gemischtgeschlechtliche Gruppen sind in der Regel größer als reine Weibchengruppen. Ältere Männchen leben meist einzelgängerisch.
Das Nahrungsspektrum der Tahre ist begrenzt. Eichenblätter und Bambus spielen in ihrer Ernährung eine große Rolle. Um an Eichenblätter zu gelangen, richten sie sich gelegentlich auf ihren Hinterbeinen auf und biegen mit einem oder sogar beiden Vorderläufen einen der Zweige herab. Darüber hinaus fressen sie Gräser wie Traubenhafer, Zitronengräser und Arundinella nepalensis. Zudem fressen sie außerdem die Triebe von Vogelknöterichen und Leucosceptrum sowie Blüten von Daphne bhoula und Flechten.
In der Paarungszeit zwischen Oktober und Januar kommt es zu Kämpfen zwischen den Männchen um das Paarungsvorrecht, diese werden jedoch – verglichen mit anderen Paarhufern – weniger intensiv ausgetragen. Nach einer rund siebenmonatigen Tragzeit bringt das Weibchen ein oder zwei Jungtiere zur Welt. Diese werden nach sechs Monaten entwöhnt und sind mit zwei bis drei Jahren geschlechtsreif.
Himalaya-Tahrs sind Pflanzenfresser (Grassfresser, Blattfresser). Ihre Ernährung umfasst Gräser, Kräuter, Blätter und einige Früchte.
Himalaya-Tahrs sind polygyn, was bedeutet, dass sich ein Männchen mit mehreren Weibchen paart. Die Brutzeit findet normalerweise von Ende Oktober bis Januar statt. Während der Brunftzeit konkurrieren die Männchen oft mit anderen Männchen um den Zugang zu den Weibchen. Zu den Faktoren, die zum Fortpflanzungserfolg beitragen, gehören eine große Körpergröße, ein großes Gehörn und eine hohe Aggressivität. Die Fellfarbe ist ein Faktor, der den Rang unter den Himalaya-Tahrs bestimmt, und Männchen mit hellem Fell paaren sich häufiger. Trächtige Weibchen verlassen ihre Herde für die Geburt und kehren nach der Geburt der Jungen zurück. Die Trächtigkeitsdauer beträgt 180-242 Tage. In der Regel wird ein Jungtier geboren, das Nestflüchter ist und schon bald nach der Geburt stehen kann. Im Alter von 6 Monaten wird das Jungtier entwöhnt, aber es bleibt noch etwa 2 Jahre bei der Mutter.
Zu den größten Bedrohungen für Himalaya-Tahrs gehören die unkontrollierte Jagd und der Verlust des Lebensraums durch Abholzung. Außerdem konkurrieren die Tiere stark mit Domestizierten Schafen und Ziegen um die Weidegänger. Lawinenabgänge im Winter bei starken Schneefällen können ebenfalls ein wichtiger Faktor für die Sterblichkeit der Himalaya-Tahrs sein.
Die Rote Liste der IUCN und andere Quellen liefern keine Angaben zur Größe der Gesamtpopulation des Himalaya-Tahrs. Laut der Roten Liste der IUCN wurden bestimmte Populationen dieser Art in folgenden Gebieten geschätzt: etwa 400-500 Individuen in China; etwa 130 Individuen im Kanawar Wildlife Sanctuary und mehr als 100 Individuen im Great Himalayan National Park, beide in Himachal Pradesh (Indien); 180 Individuen im Kedarnath Wildlife Sanctuary (Indien); 50 Individuen im Tirthan Tal des Great Himalayan National Park (Indien); 297 Individuen in Uttarakhand (Indien); etwa 1.000 Individuen in den Nationalparks Sagamartha, Makalu-Barun (und Naturschutzgebiet) und Langtang (Nepal); über 500 Individuen im Annapurna Base Camp (Nepal); 285 Individuen im Dhorpatan Jagdreservat (Nepal). Insgesamt wird der Himalaya-Tahr derzeit auf der Roten Liste der IUCN als Potentiell gefährdet (NT) eingestuft und sein Bestand ist heute abnehmend.