Nördliche kugelgürteltier, Brasilianisches dreibindengürteltier, Dreibinden-kugelgürteltier
Das Nördliche Kugelgürteltier oder Brasilianisches Dreibindengürteltier beziehungsweise Dreibinden-Kugelgürteltier (Tolypeutes tricinctus) ist eine Säugetierart aus der Gruppe der Gürteltiere (Dasypoda), welche endemisch in Brasilien verbreitet ist. Es stellt die seltenste Art der Gürteltiere dar und bewohnt hauptsächlich die Caatinga-Region im Nordosten des Landes. Bis zum Ende der 1980er Jahre galt die Art als ausgestorben, heute wird sie als gefährdet eingestuft.
Das Nördliche Kugelgürteltier ist durchschnittlich etwas größer als sein südlicher Verwandter, das Südliche Kugelgürteltier (Tolypeutes matacus) und erreicht eine Kopf-Rumpf-Länge von 32 bis 39 cm (Durchschnitt 35,7 cm), dazu kommt noch ein 5 cm langer, relativ unbeweglicher Schwanz, der vergleichsweise etwas kürzer ist als jener der südlichen Form. Das Gewicht wird mit 1,1 bis 1,6 kg angegeben, Feldbeobachtungen lassen annehmen, dass die Männchen etwas größer als die Weibchen sind. Prinzipiell ähnelt es im Körperbau dem Südlichen Kugelgürteltier und besitzt ebenfalls einen deutlich gerundeten Rückenpanzer, der durch drei flexible Bänder in einen vorderen und hinteren Abschnitt geteilt ist und bis zu den Beinen hinab reicht. Der markanteste Unterschied ist an den Vorderfüßen zu beobachten, welche aus fünf krallenbewehrten Zehen bestehen und nicht aus vier wie beim Südlichen Kugelgürteltier.
Hauptverbreitungsgebiet des Nördlichen Kugelgürteltiers ist die Caatinga-Region im Nordosten Brasiliens, eine meist durch dornige Gebüsche und Bäume charakterisierte Trockenlandschaft mit weniger als 500 mm Jahresniederschlag. Es kommt aber auch in den südlich angrenzenden Cerrado-Landschaften vor, die wiederum aus buschiger Savannenvegetation und laubwerfenden Bäumen bestehen. Vereinzelt wurden Tiere auch in nördlicher gelegenen Gebieten beobachtet, so aus dem Bundesstaat Maranhão. Hier tritt es in Habitaten mit mosaikartiger Vegetation, bestehend aus Dornengebüschsavannen und Babassupalmen auf. Insgesamt ist das Vorkommen des Nördlichen Kugelgürteltiers fragmentiert, die Größe des Verbreitungsgebietes wird mit etwa 937.000 km² angegeben. Es fehlen vor allem Informationen zu den nordöstlichen Verbreitungsgrenzen. In Bereichen mit hoher Population wird die Dichte auf etwa 1,2 Individuen je Quadratkilometer geschätzt. Wahrscheinlich geht sie aber in Gebieten mit hohem Jagddruck deutlich zurück.
Aufgrund der Seltenheit wird das Nördliche Kugelgürteltier nur spärlich in freier Wildbahn beobachtet, Daten zur Lebensweise sind daher eher rar. Die Gürteltierart ist weitgehend nachtaktiv, die größten Aktivitäten verteilen sich auf zwei Phasen, zum einen zwischen 14:00 und 18:00 Uhr und zum anderen zwischen 20:00 und 23:00 Uhr. Wie sein südlicher Verwandter und im Gegensatz zu zahlreichen anderen Gürteltieren ist das Nördliche Gürteltier kein guter Gräber und legt daher nur selten zum Nahrungserwerb oder als Unterschlupf eigens dafür gegrabene Erdlöcher an. Nach Untersuchungen von vier Individuen aus dem nordöstlichen Brasilien sind Grabaktivitäten aber häufiger als bisher angenommen. Die von den Tieren gegrabenen Baue haben durchschnittlich eine Höhe von 10,5 cm, eine Breite von 14 cm und eine Tiefe von 43,5 cm. In der Regel werden die Eingänge mit Blätterabfall bedeckt. Vermutlich dienen die Baue eher der Thermoregulation und der Aufzucht des Nachwuchses als einem primären Schutz vor Beutegreifern. Darüber hinaus zieht sich das Nördliche Kugelgürteltier unter Blätterabfall oder in von anderen Tierarten gegrabene Baue, etwa vom Sechsbinden-Gürteltier (Euphractus sexcinctus) zur Ruhe zurück. Es legt aber keine flachen Depressionen oder Nester aus Pflanzenmaterialien an. Die einzelnen Individuen nutzen Aktionsräume, die nach Untersuchungen bei Jaborandi im brasilianischen Bundesstaat Bahia durchschnittlich 122 ha groß sind, bei Männchen auch bis zu 238 ha groß werden können. Die Aktionsräume der Männchen überschneiden sich mit denen der Weibchen, außerdem auch mit solchen von anderen männlichen Tieren unterschiedlichen Alters. In letzterem Fall sind die Überschneidungen aber eher marginal. Die Gürteltierart kann sich vergleichbar der südlichen Art bei Gefahr zu einer nahezu geschlossenen Kugel zusammenrollen.
Das Nördliche Kugelgürteltier ernährt sich überwiegend von Insekten, die es von der Bodenoberfläche aufnimmt. Weitere Nahrungsbestandteile sind darüber hinaus Früchte.
Über das Fortpflanzungsverhalten ist wenig bekannt, jedoch scheinen männliche Vertreter während der Brunft des Weibchens in einen Paarungswettkampf zu treten, was auf den Sexualdimorphismus der Art zurückgeführt wird. Jungtiere werden meist in Einzahl geboren und ähneln den Elterntieren, besitzen aber einen weicheren Panzer und ebensolche Krallen sowie geschlossene Augen und Ohrmuscheln.
Zu den nachgewiesenen äußeren Parasiten gehören Zecken der Gattung Amblyomma.
Das Nördliche Kugelgürteltier wird von der IUCN aufgrund des heute stark zersplitterten Verbreitungsgebietes und der geringen Populationsgröße als vulnerable („gefährdet“) eingestuft, Informationen über die Größe der Gesamtpopulation liegen aber nicht vor. Auch heute noch wird die Gürteltierart stark bejagt, zudem wird der Lebensraum durch die Ausdehnung von Zuckerrohr- und Sojabohnenplantagen stark gefährdet. Schutzgebiete liegen in den Nationalparks Serra da Capivara und Serra das Confusões im Bundesstaat Piauí. In den Gebieten mit der dichtesten Population sind allerdings keine Schutzgebiete ausgewiesen.
Die Rote Liste der IUCN und andere Quellen liefern keine Angaben zur Gesamtgröße der Population des Nördlichen Kugelgürteltiers. Derzeit wird diese Art auf der Roten Liste der IUCN als Gefährdet (VU) eingestuft und ihr Bestand ist heute abnehmend.