Der Orpheusspötter (Hippolais polyglotta) ist ein Singvogel aus der Familie der Rohrsängerartigen (Acrocephalidae). Die Art hat ein relativ kleines Verbreitungsgebiet im Südwesten der Paläarktis. Sie breitet sich seit Jahrzehnten nach Nordosten aus und brütet seit 1983 auch in Deutschland.
Der etwa 13 cm lange Orpheusspötter hat eine Flügelspannweite von 17,5–20 cm und wiegt etwa 10–13 g. Im Vergleich zu anderen Spöttern hat er einen relativ kurzen Schnabel, was jedoch im Feld kein sicheres Bestimmungsmerkmal darstellt.
Insgesamt ähnelt die Art sehr dem Gelbspötter. Die Oberseite ist grünlich-braun, die Unterseite ist hellgelb. Die Beine sind bräunlich. Zügel, Augenring und Schnabelseiten sind allesamt hell. Die Geschlechter sind gleich gefärbt, wobei das Männchen häufig kräftigere Farben zeigt. Die ausgeflogenen Jungvögel wirken insgesamt viel blasser und haben zudem ein schwach angedeutetes helles Flügelfeld.
Das Verbreitungsgebiet des Orpheusspötters erstreckt sich von Nordafrika über die Iberische Halbinsel, Italien und Frankreich nach Nordosten bis nach Belgien, in die Schweiz und den Südwesten Deutschlands.
Der Orpheusspötter brütete in der Schweiz erstmals 1960 im Kanton Tessin. Heutzutage brütet er zudem in den Kantonen Wallis, Waadt und Genf mit insgesamt etwa 300–500 Paaren. In Deutschland brütete er 1983 erstmals im Saarland. Seitdem hat er auch Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg besiedelt und kommt sporadisch in Hessen und Nordrhein-Westfalen vor. Der deutsche Bestand beträgt etwa 750 Paare.
Der Orpheusspötter bewohnt sonnige, offene oder halboffene Flächen mit keinem oder nur geringem Baumbestand, z. B. Kahlschläge, Weinberge, Feldgehölze, Auwälder, Heidegebiete und Kiesgruben. Wesentliche Habitatelemente sind mindestens einzelne, dornige und dichte Sträucher und eine umgebende hohe Krautschicht. Geschlossene Wälder werden nur randlich oder auf großen Lichtungen besiedelt. Die Art besiedelt auch Gärten und Parks mit nicht zu dichtem Baumbestand. Sie ist wärmeliebend und brütet selten über 300 m NN.
Nach der Ankunft am Brutplatz Anfang Mai beginnen die Männchen sogleich mit dem Singen. Nach der Paarung wählt das Weibchen den Nistplatz aus. Das Nest wird meist nur 1–2 m über dem Boden in einem dichten Busch oder einem kleinen Baum gebaut. Es besteht vor allem aus Gräsern und feinen Wurzeln.
Während das Weibchen die 3–5 grüngrauen Eier 12–14 Tage lang bebrütet, wird es vom Männchen mit Insekten versorgt. Nachdem die Jungen geschlüpft sind, füttert auch das Weibchen. Im Alter von 11–13 Tagen sind die Jungen flügge. Sie werden danach noch mindestens 14 Tage lang gefüttert, bis sie selbständig sind und verstreichen.
In Deutschland wird der Orpheusspötter in der Roten Liste in der Kategorie „Arten mit geografischer Restriktion“ geführt, in der Schweiz steht er auf der sogenannten „Vorwarnliste“.