Nacktmull
Reich
Stamm
Unterstamm
Klasse
Ordnung
Familie
Gattung
SPEZIES
Heterocephalus glaber
Populationsgrösse
Unknown
Lebensdauer
32 years
Gewicht
30-35
1.1-1.2
goz
g oz 
Länge
8-10
3.1-3.9
cminch
cm inch 

Der Nacktmull (Heterocephalus glaber) ist die einzige Art der Gattung Heterocephalus und der Familie Heterocephalidae innerhalb der Ordnung der Nagetiere. Er wurde lange in die Familie der Sandgräber (Bathyergidae) eingeordnet, mit denen er heute noch eine gemeinsame Überfamilie bildet.

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Nacktmulle leben in großen unterirdischen Bauten in den Halbwüsten Ostafrikas, speziell im Süden Äthiopiens, in Kenia und Somalia. Die Art lebt in großen Kolonien in Eusozialität und zeigt mit dieser Staatenbildung ein bei Säugern sehr seltenes Verhalten. Eine weitere rezente eusoziale Art ist der Damara-Graumull (Fukomys damarensis) im südlichen Afrika.

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Aussehen

Nacktmulle haben einen fünf bis fünfzehn Zentimeter langen Körper. Sie wiegen ungefähr 30 bis 50 Gramm. Ihren Namen verdanken sie der Tatsache, dass ihre geringe und sehr feine Behaarung mit Ausnahme von einigen Sinneshaaren (Vibrissen)kaum wahrnehmbar ist und sie daher nackt erscheinen. Dies wird als Anpassung an ihre Lebensweise in unterirdischen Kolonien gewertet. Wegen der geringen Behaarung können sich auch Parasiten auf ihren Körpern schlechter ansiedeln und verbreiten. Die Haut liegt lose und faltig am Körper an und ist braun-rosa gefärbt, wobei der Rücken etwas dunkler als der Bauch ist. Die faltige Haut schützt zum einen die inneren Organe, wenn sich die Tiere durch sehr enge Gänge drücken, zum anderen ermöglicht sie eine schnelle Bewegung in den Gangsystemen, wobei die Tiere sich rückwärts ebenso schnell bewegen können wie vorwärts. Andere Merkmale sind die stark ausgeprägten Schneidezähne, die sehr gut zu erkennen sind. Mit ihnen kann der Nacktmull seine Nahrung abschneiden und zerkleinern.

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Die Vibrissen (Tasthaare) befinden sich vor allem im Gesicht, wo die Schnurrhaare mit bis zu zwei Zentimetern die längsten sind, außerdem an den Vorder- und Hinterbeinen, den Augenlidern und dem Mundbereich. Der Kopf der Tiere ist konisch mit einer abgeflachten Schnauze, nur die Region um die sehr kleinen Augen ist ausgerundet. Die Augen sind zudem von einem dicken Augenlid abgedeckt, sodass nur kleine Sehschlitze übrigbleiben. Die visuelle Wahrnehmung ist sehr gering; die Augen sind aber gegen Luftzug empfindlich. Die Ohröffnungen sind klein und die Tiere haben keine äußeren Ohrmuscheln. Die Nasenlöcher liegen eng beieinander in einem bauchig-u-förmigen Bereich oberhalb der Nagezähne, sie sind dabei durch eine Hautfalte abgedeckt.

Als weitere Merkmale besitzen die Tiere auffallend große Nagezähne, die sie wie Baggerschaufeln einsetzen können. Hierfür besitzen die Tiere eine sehr starke Kaumuskulatur, die die Form des Kopfes bestimmt und etwa 25 Prozent der Gesamtmuskelmasse des Tieres ausmacht. Die Nagezähne sitzen vorne am Schädel, vor der Lippe. Mit ihnen können Nacktmulle sich durch den harten Wüstenboden graben. Während die Tiere mit den Zähnen graben, wird die Mundhöhle durch Hautfalten verschlossen, damit kein Schmutz eindringen kann. Dabei werden die Zähne an der Spitze abgenutzt, zugleich jedoch durch das Abreiben am Grabungsmaterial auch geschärft. Die Nagezähne wachsen lebenslang. Als zusätzliche Besonderheit können Nacktmulle die Nagezähne auch einzeln bewegen. Zudem haben die Tiere drei Backenzähne in jedem Gebissbogen, wodurch sich eine Gebissformel von 3 · 0 · 0 · 1 | 1 · 0 · 0 · 3 ergibt.

Zur Verständigung untereinander benutzen die Tiere bis zu 18 verschiedene Laute, die teilweise an Vogelzwitschern erinnern.

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Video

Verteilung

Erdkunde

Kontinente
Subkontinente
Biogeografische Bereiche

Der Nacktmull lebt als Endemit einzig in den trockenen und heißen Halbwüsten Ostafrikas. Das Verbreitungsgebiet erstreckt sich dabei über den größten Teil von Somalia, den zentralen Teil Äthiopiens und einen großen Bereich des östlichen und nördlichen Kenias. Die südlichste Verbreitungsgrenze verläuft im Bereich der Grenze des Tsavo-West-Nationalparks und der Stadt Voi.

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Der Lebensraum der Nacktmulle zeichnet sich durch ein trockenes Halbwüstenklima mit 200 bis 400 Millimetern Niederschlag pro Jahr aus. Der Boden ist im Regelfall eine sehr harte lateritische Roterde, man findet jedoch auch Kolonien in reinen Sand- oder in echten Lateritböden.

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Nacktmull Lebensraum-Karte

Klimazonen

Nacktmull Lebensraum-Karte

Gewohnheiten und Lebensstil

Nacktmulle leben in Kolonien von 20 bis 300 äußerst kommunikativen Tieren. Die Organisation dieser Kolonien weist einige Besonderheiten auf, die sonst insbesondere bei Insekten beobachtet und in ihrer Gesamtheit als Eusozialität bezeichnet werden. Charakteristisch ist eine strenge, hochspezialisierte Arbeitsteilung, die an das Lebensalter des einzelnen Individuums gebunden ist, und der Zusammenhalt aller Tiere der jeweiligen Kolonie. Hierzu trägt bei, dass sich das „fast ununterbrochen leise witschern, iepsen, irpen oder runzen“ der Nacktmulle von Kolonie zu Kolonie unterscheidet, sodass jede Kolonie in einem eigenen „Dialekt“ kommuniziert, der wesentlich von der Königin beeinflusst und durch Lernen erworben wird.

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Junge Nacktmulle kümmern sich um ihre jüngeren Geschwister. Werden sie älter, betätigen sie sich als Gräber („Arbeiter“) und sind für den Ausbau des Gangsystems zuständig. Sie arbeiten gemeinsam wie am Fließband. Größere und ältere Tiere („Soldaten“) halten sich an den Ausgängen des Baues auf, die sie bewachen, zum Beispiel gegen ihren Hauptfeind, die Rötliche Schnabelnasen-Natter. Außerdem werfen sie das von den Arbeitern antransportierte Material aus den Gängen aus („Vulkane“).

Jede Kolonie wird von einer einzigen Königin dominiert, die als einziges Weibchen fruchtbar ist und ca. alle 70–80 Tage wirft. Die Königin ist größer als die anderen Tiere und paart sich mit ein bis drei Männchen aus der Kolonie, die nach dem Eintritt in die Paarungsphase erstaunlich schnell altern. Zum Säugen der bis zu 27 Nachkommen eines Wurfes hat die Königin sichtbare Zitzen, an denen diese 4 Wochen gesäugt werden. Um die vielen ungeborenen Jungtiere in ihrem Leib unterzubringen, hat sie eine gewölbte Wirbelsäule; damit sie in den engen Gängen beweglich bleibt, wächst sie während der Trächtigkeit jedoch in die Länge. Anders als bei den Graumullen, die ebenfalls hoch sozialisiertes Verhalten zeigen, sind Nacktmullköniginnen ausgesprochen aggressiv und attackieren häufig ihre infertilen Töchter und Söhne.

Die Gründe für die Unfruchtbarkeit der Nachkommenschaft sind bislang nicht ausreichend erforscht. Einige ältere Vermutungen gehen von einer hormonellen Unterdrückung durch die Königin aus, doch diese Annahmen konnten durch einfache Versuche widerlegt werden. Eine andere Erklärung besagt, dass durch den Dauerstress, den die Töchter ertragen müssen, deren Eierstöcke nicht zur Reife gelangen und sie deshalb steril bleiben. Warum es in Nacktmullkolonien nicht zu Paarungen unter den unfruchtbaren Arbeitern und Arbeiterinnen kommt, lässt sich damit erklären, dass Säugetiere Paarungszeiten haben, die an die östrische Phase im Sexualzyklus der Weibchen gebunden sind und daher nur einsetzen können, wenn die Weibchen voll entwickelte Ovarien und damit auch einen Sexualzyklus haben. Einer Studie zufolge sorgt erst das Fressen des östrogenhaltigen Kots der Nacktmullkönigin dafür, dass die anderen Tiere sich um die Jungtiere kümmern.

Stirbt eine Nacktmullkönigin, so fehlt ihre Stressunterdrückung, wodurch mehrere Arbeiterinnen fruchtbar werden und sich daraufhin gegenseitig bekämpfen. In einer Laborsituation in den 1980er-Jahren dauerte ein „Erbfolgekrieg“ 16 Monate und kostete neun Nager das Leben. In aller Regel siegt das Weibchen, das am schnellsten Jungtiere gebären kann. Gelangen Arbeiter bei ihren Grabungen in das Revier einer anderen Kolonie, resultieren daraus blutige Kämpfe.

Die Ursachen für das soziale Verhalten sind nicht vollständig geklärt. Die sogenannte Kooperationstheorie sieht darin eine Anpassung an die fleckenhaft vorkommende Nahrung im Lebensraum der Tiere. Um in dem harten Boden der Halbwüsten Nahrung zu finden, müssen möglichst viele Tiere auf Nahrungssuche gehen und die gefundenen Nahrungsquellen teilen. Eine neuere Hypothese geht davon aus, dass die Länge der Tragzeit bei Nacktmullen und generell bei den Bathyergidae die Ursache für die Entwicklung von Eusozialität bei diesen Tieren war. Ein einzelnes Weibchen ist nicht in der Lage, sich genügend Fettvorräte für die lange Trag- und Stillzeit anzufressen, und kann wegen seines großen Körperumfangs in dieser Zeit die unterirdischen Gänge nur schlecht durchlaufen und nach Nahrung absuchen. Es ist somit auf die Hilfe des Partners und später der Jungen angewiesen. Die Tragzeit ist ein so konservatives Merkmal, dass sich eher die Sozialstruktur daran anpasst als umgekehrt. Die Eusozialität hat sich also nach dieser Theorie über die Zwischenstufe Monogamie entwickelt.

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Saisonales Verhalten

Fressverhalten und Ernährung

Die Nahrung der Nacktmulle besteht aus sehr faserigen Pflanzenknollen, die meist keinen sehr hohen Nährwert haben. Um diese Nahrung optimal nutzen zu können, besitzen die Tiere vor allem im Blinddarm, dem Caecum, symbiotisch lebende Bakterien, die die Nahrung aufspalten und Nährstoffe verfügbar machen. Ähnlich wie Kaninchen nehmen Nacktmulle einmal verdaute, ausgeschiedene Nahrung ein zweites Mal auf, um sie noch effizienter zu nutzen (Koprophagie).

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Die Tiere nehmen Mineralien auch über die Nahrung und durch Knochen auf, die sie bei ihrer grabenden Tätigkeit finden. Diese Mineralien können bei den Tieren durch Vitamin-D3-unabhängige Prozesse genutzt werden, da sich das Vitamin bei den ohne Sonnenlicht lebenden Tieren nicht bildet.

Nacktmulle trinken nicht. Das benötigte Wasser gewinnen sie aus ihrer Nahrung. Da diese zudem stark salzhaltig ist, besitzen Nacktmulle sehr effiziente Nieren, die einen Harn mit einer maximalen Konzentration bis zu 1,5 Mol Salz pro Kilogramm Harn herstellen können, dies entspricht 87,5 Gramm pro Liter.

Um den eigenen Stallgeruch aufzunehmen, der sich von dem anderer Kolonien unterscheidet, wälzen sich Nacktmulle in der gemeinschaftlichen Toilettenhöhle in ihren Ausscheidungen.

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Paarungsgewohnheiten

PAARUNGSVERHALTEN

Nacktmulle haben ein polyandrisches Paarungssystem, bei dem sich ein Weibchen mit mehreren Männchen während einer Brutsaison paart. In jedem Haufen gibt es nur eine Königin und 1-3 brütende Männchen. Die Beziehungen zwischen der Königin und den Zuchtmännchen können viele Jahre andauern; andere Weibchen sind vorübergehend steril. Königinnen leben zwischen 13 und 18 Jahren und sind extrem feindselig gegenüber anderen Weibchen, die sich wie Königinnen verhalten oder Hormone produzieren, um Königinnen zu werden. Wenn die Königin stirbt, nimmt ein anderes Weibchen ihren Platz ein, manchmal nach einem heftigen Kampf mit ihren Konkurrentinnen. In der Wildnis vermehren sich Nacktmulle in der Regel einmal im Jahr, wenn der Wurf überlebt. In Gefangenschaft vermehren sie sich das ganze Jahr über und können alle 80 Tage einen Wurf produzieren. Die Königin bringt einen Wurf zur Welt, der in der Regel zwischen 3 und 12 Jungtieren liegt, aber auch bis zu 28 betragen kann. Die Trächtigkeitsdauer beträgt etwa 70 Tage. Die Jungtiere werden blind geboren und wiegen etwa 2 Gramm (0,07 oz). Die Königin säugt sie während des ersten Monats; danach werden sie von den anderen Mitgliedern der Kolonie mit Kot gefüttert, bis sie alt genug sind, um feste Nahrung aufzunehmen. Sowohl die Weibchen als auch die Männchen werden im Alter von einem Jahr fortpflanzungsfähig.

POPULATION

Populationsgefährdung

Zurzeit gibt es keine größeren Bedrohungen für Nacktmulle.

Populationszahl

Laut IUCN ist der Nacktmull in seinem gesamten Verbreitungsgebiet lokal häufig und weit verbreitet, aber es liegt keine Gesamtpopulationsschätzung vor. Derzeit wird diese Art auf der Roten Liste der IUCN als nicht gefährdet (LC) eingestuft und ihr Bestand ist heute stabil.

Referenzen

1. Nacktmull artikel auf Wikipedia - https://de.wikipedia.org/wiki/Nacktmull
2. Nacktmull auf der Website der Roten Liste der IUCN - https://www.iucnredlist.org/species/9987/115095455

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