Lear’s ara
Der Lear-Ara (Anodorhynchus leari), auch Lear’s Ara genannt, ist eine heute vom Aussterben bedrohte Art der Neuweltpapageien. Benannt wurde sie nach dem englischen Vogelmaler Edward Lear (1803–1888).
Mitte des 19. Jahrhunderts fiel unter den nach Europa als Bälge oder lebende Tiere importierten blauen Aras (der damals noch nicht ausgestorbene Türkisara und der deutlich größere Hyazinth-Ara) eine weitere blaue Araart auf. Der italienische Ornithologe Charles Lucien Bonaparte beschrieb die Art 1856, nachdem er eine Abbildung von Edward Lear gesehen und einen Balg der Art im Naturhistorischen Museum in Paris gefunden hatte. Lear-Aras sind mit ca. 72 cm Länge deutlich kleiner als die 100 cm großen Hyazinth-Aras, ihr Gefieder ist vorherrschend blau, die Flügel- und Schwanzoberseite kobaltblau und die Schwanzunterseite dunkelgrau. Die unbefiederte Region an der Basis des Unterschnabels ist gelb. Lear-Aras besitzen einen unbefiederten gelben Augenring, die Iris ist dunkelblau, der Schnabel grau-schwarz, und die Füße haben eine dunkelgraue Färbung.
Eine an Balgmaterial und fossilen Funden vom Herculano Alvarenga durchgeführte Studie, die auch die historischen Verbreitungsgebiete des ausgerotteten Meerblauen Aras (Anodorhynchus glaucus) mit dem des Lear-Ara vergleicht, kommt aufgrund der weitgehenden Übereinstimmung u. a. der Maße beider Arten zu dem Ergebnis, dass beide Arten nur Unterartstatus besitzen. Aufgrund der Prioritätsregel würden sich folgende neue Bezeichnungen ergeben: Anodorhynchus glaucus glaucus als Nominatform und Anodorhynchus glaucus leari für den Lear-Ara.
Obwohl Lear-Aras als lebende Tiere in Gefangenschaft, auf Abbildungen und als Balg 1856 von Charles Lucien Bonaparte beschrieben waren, konnte erst Helmut Sick nach jahrzehntelanger Suche 1978 das Verbreitungsgebiet der Art ermitteln. Das heutige Verbreitungsgebiet ist extrem klein, er kommt nur in der semiariden Region von Bahia im Nordosten von Brasilien vor. Derzeit ist nur ein gesichertes Vorkommen bekannt, der größte Teil der Population von wenigen hundert Tieren lebt auf dem Gebiet der Farm von Otavio de Farias.
Lear-Aras sind soziale, tagaktive, territoriale und laute Vögel. Lear-Aras bilden in der Regel Gruppen von etwa 8 bis 30 Vögeln, in geringerem Umfang gibt es auch Paare oder kleinere Gruppen von Familien. Sie haben auffallend laute Rufe und werden meist fliegend oder auf den äußersten Ästen von Bäumen oder Palmen sitzend beobachtet. Normalerweise übernachten bis zu 4 Individuen in einer Spalte oder Höhle von 30 - 60 m (100 - 200 ft) in hohen Sandsteinschluchten. Tagsüber ruhen sich diese Vögel in schattigen Bäumen oder Likuri-Palmen aus, wo sie sich auch von den Früchten der Palme ernähren können. Man kann sie dabei beobachten, wie sie sich gegenseitig streicheln und ab und zu krächzen. Lear-Aras sind scheue Vögel, die, wenn sie alarmiert werden, laut rufend nach oben fliegen. Dann können sie kurz kreisen, bevor sie wieder auf einem Baum landen (wenn sie ihn für sicher halten), oder sie fliegen davon.
Lear-Aras sind Pflanzenfresser (Körnerfresser, Fruchtfresser) und ernähren sich hauptsächlich von den harten Nüssen der Licuri-Palme, aber auch von den Früchten und Samen zahlreicher anderer Büsche und Bäume. Ihre Ernährung umfasst auch Mais, Agavenblüten, eine Reihe von reifen und unreifen Früchten, pflanzliche Stoffe und Beeren. Außerdem ernähren sie sich von allen verfügbaren Feldfrüchten.
Lear-Aras sind monogam, wobei die Paare ein Leben lang zusammenbleiben. Die Brutzeit findet zwischen Februar und April statt. Die Paare bauen ihre Nester an den Sandsteinklippen. Das Weibchen legt 1 - 2 Eier und bebrütet sie für etwa 26-28 Tage. Das nistende Weibchen verlässt das Nest nur für kurze Zeit, um zu fressen, denn ihre Jungen sind auf sie angewiesen, um sich zu ernähren und zu wärmen. Sobald den Jungen ein schützendes Gefieder gewachsen ist, bleibt die Mutter für längere Zeit vom Nest weg. Nachts übernachten beide Elternteile im Nistbereich. Küken, die bis zu ihrem Flüggewerden im Alter von etwa 3 Monaten überleben, bleiben nach dem Verlassen des Nestes noch eine Zeit lang bei ihren Eltern. Sie erreichen die Geschlechtsreife im Alter von etwa 2 bis 4 Jahren.
Die Populationsgröße betrug 2001 gerade 246 Tiere. Bis zum Jahr 2016 hatte die Population auf ca. 1300 Vögel zugenommen. Diverse Schutzmaßnahmen, insbesondere der Rückgang der illegalen Nachstellung, haben zu dem Bestandsanstieg geführt. Da nur ein Bruchteil der Vögel tatsächlich brütet, wird der Brutbestand auf ca. 130 Paare geschätzt. Aufgrund des kleinen Verbreitungsgebiets der Art wurde die Art als critically endangered (BirdLife International 2000) eingestuft.
Zur Stabilisierung der Nahrungsgrundlage des Lear-Aras förderte der Fonds für bedrohte Papageien ein Arbeitskreis der Zoologischen Gesellschaft für Arten- und Populationsschutz die Bewässerung von Nahrungspflanzen. Im Loro Parque und bei Al Wabra wird versucht, eine Gefangenschaftspopulation aufzubauen. Weitere Freilanduntersuchungen laufen.
Laut der Roten Liste der IUCN betrug die Gesamtpopulation der Lear-Aras im Jahr 2018 1.694 Individuen, darunter 250-999 ausgewachsene Tiere. Derzeit wird diese Art auf der Roten Liste der IUCN als Stark gefährdet (EN) eingestuft, aber ihre Zahl nimmt heute zu.
Lear-Aras spielen durch die Verbreitung von Samen und Nüssen in ihrem Revier eine wichtige Rolle in ihrem Ökosystem.
Einer der frühesten Berichte (und einer der wenigen überhaupt) über einen Lear-Ara in einem öffentlichen Zoo war eine dramatische Vorführung der "vier Blauen", darunter Lear-, Türkis-, Hyazinth- und Spix-Aras, im Jahr 1900 im Berliner Zoo.
Nach Angaben des World Parrot Trust ist der Lear-Ara in Gefangenschaft derzeit extrem selten und kann bis zu 60 Jahre alt werden, während die Animal Ageing and Longevity Database die maximale Lebenserwartung eines Lear-Aras in Gefangenschaft mit 38,3 Jahren angibt. Es wird empfohlen, diesen Papagei in einem Gehege von 15 Metern Länge zu halten.