Gerenuks
Die Giraffengazellen (Litocranius), auch Gerenuks genannt, sind eine afrikanische Gattung der Antilopen aus der Gruppe der Gazellenartigen. Die Bezeichnung Gerenuk ist eine nicht exakte Übertragung des Somali-Namens garanug.
Abbildungen von Giraffengazellen finden sich schon bei den alten Ägyptern aus der Zeit um 5600 v. Chr., wissenschaftlich beschrieben wurde die Art jedoch erst 1878. Bis heute ist sehr wenig über die Lebensweise dieser Gazelle bekannt. In der afrikanischen Landschaft fallen die Giraffengazellen vor allem auf, weil sie sich während des Äsens häufig auf die Hinterbeine stellen, um an Blätter zu gelangen.
Die Giraffengazellen sind aufgrund ihres langen, schlanken Halses und der langen Läufe unverwechselbar. Sie erreichen eine Schulterhöhe von bis zu 1,04 Meter. Das Gewicht beträgt 32 bis 50 Kilogramm, die Hörner, die nur das Männchen trägt, werden bis zu 43 Zentimeter lang.
Das Haarkleid ist auf dem Rücken rötlich schokoladenbraun, die Körperseiten sind dagegen deutlich heller und scharf gegenüber dem Rückensattel abgesetzt. Dieses zweifarbige Haarkleid auf der Körperoberseite ist unter Gazellen einzigartig. Eine dunkle Linie grenzt die weiße Bauchseite deutlich ab. Die Ohren sind sehr groß, ein weißer Augenring verjüngt sich zum Maul hin. Das Männchen weist kurze, stark geringelte und mit einem relativ dicken Schaft versehene Hörner. Sie bilden einen schwungvoll nach hinten gerichteten Bogen, drehen sich dann nach vorne und enden in einem engen Haken. Das Männchen weist außerdem auffällige Voraugendrüsen auf, die eine dunkle Substanz absondern. Weitere Duftdrüsen finden sich an den Beinen in Kniehöhe.
Das Verbreitungsgebiet reicht von Äthiopien und Somalia über Kenia in den Norden Tansanias. In historischer Zeit waren Giraffengazellen auch im Sudan und in Ägypten verbreitet, sind dort aber seit langem ausgestorben. Das bevorzugte Habitat sind aride Gebiete, meistens Dornbuschsavannen.
Die Giraffengazellen zählen zu den Vertretern, die in besondere Weise an das Leben in der trockenen Savanne angepasst ist. Ähnlich wie die Säbelantilope und die Mendesantilope trinkt die Giraffenantilope noch nicht einmal dann, wenn sich ein Wasserloch in der Nähe befindet. Der Flüssigkeitsbedarf wird allein durch die Nahrung gedeckt.
Die Giraffengazellen ernähren sich hauptsächlich von Laub, und ähnlich wie die (nicht verwandten) Giraffen haben sie dafür die Verlängerung von Hals und Beinen entwickelt. Konvergent zur Giraffe entwickelte sich auch die raue Zunge und die verlängerten, unempfindlichen Lippen, mit denen selbst dornige Zweige umschlossen werden können. Mit geschlossenem Maul ziehen die Giraffengazellen dann ihren Kopf zurück und weiden die Blätter ab. Um an hohe Äste zu gelangen, erheben sich diese Antilopen auf die Hinterbeine und stützen sich mit den Vorderbeinen am Baum ab.
Das Nahrungsverhalten der Giraffengazellen ist unter anderem im Tsavo-East-Nationalpark untersucht worden, dabei wurde eine Nahrungskonkurrenz vor allem mit dem Kleinen Kudu festgestellt. Der Kleine Kudu hält sich allerdings vor allem in den Savannenregionen auf, die dichter mit Bäumen und Sträuchern bestanden sind. Wegen der Fähigkeit, sich während der Nahrungssuche auf die Hinterbeine zu stellen, sind für die Giraffengazellen außerdem Blätter erreichbar, die für den Kleinen Kudu unzugänglich sind. Im Tsavo-East-Nationalpark umfasste das Nahrungsspektrum der Giraffengazellen Blätter, Triebe, Blüten und einige Früchte. Auch einige Kletterpflanzen wurden von dieser Gazellenart gefressen. Die Giraffengazellen sind keine Nahrungsspezialisten, sondern nutzen mindestens 84 Pflanzenarten als Nahrungsquelle. Eine besondere Präferenz besteht für dornenbewehrte Pflanzen wie beispielsweise die Schwarzdorn-Akazie.
Die Weibchen leben mit ihren Jungen in kleinen Gruppen von zwei bis fünf Tieren. Ausgewachsene Männchen sind territoriale Einzelgänger, die zur Paarungszeit versuchen, Weibchen in ihren Revieren zu halten und sich mit ihnen zu paaren.
Giraffengazellen sind Durchzügler. Sie sind Pflanzenfresser (Blattfresser) und ernähren sich von Blättern von Bäumen, Trieben, Kräutern, Blumen, Früchten und dem Laub von Büschen.
Giraffengazellen haben ein polygynes Paarungssystem, bei dem sich jedes Männchen mit einer Reihe von Weibchen paart. Sie können zu jeder Jahreszeit brüten, obwohl jedes Weibchen nur alle 1-2 Jahre brütet. Die Intervalle zwischen den Bruten richten sich nach dem Geschlecht der Jungen des letzten Jahres. Die Trächtigkeit dauert 165 Tage und bringt 1-2 Kälber hervor, die voll entwickelt geboren werden. In den ersten Minuten nach der Geburt sind sie in der Lage zu laufen. Die Jungtiere werden von ihrer Mutter gepflegt und gefüttert, bis sie entwöhnt werden, was bei weiblichen Tieren im Alter von 1 Jahr und bei männlichen Tieren im Alter von mindestens 1,5 Jahren der Fall ist. Letztere verlassen ihre Mutter erst im Alter von 2 Jahren. Das Alter der Geschlechtsreife liegt bei den Weibchen bei 1-2 Jahren und bei den Männchen bei 1,5 Jahren. In freier Wildbahn beginnen die Männchen in der Regel erst im Alter von 3,5 Jahren mit der Paarung, wenn sie dominant genug sind, um ein eigenes Revier zu besetzen.
Giraffengazellen sind in erster Linie durch den Verlust und die Fragmentierung ihres natürlichen Lebensraums bedroht, der mit dem Wachstum der lokalen menschlichen Bevölkerung einhergeht, was zur Entwicklung von Siedlungen, Straßen und Landwirtschaft führt. Infolgedessen können einige isolierte Populationen keine geeignete Nahrung und keinen Unterschlupf finden. Einige sind nicht in der Lage, Partner zu finden oder Prädatoren zu entkommen. Außerdem diente diese Art in Afrika über einen langen Zeitraum von mehr als 200 Jahren als Wildtier. Trotz des begrenzten Angebots und des sehr kleinen natürlichen Verbreitungsgebiets leiden Giraffengazellen stark unter der Jagd als Trophäen und zum Verzehr.
Laut der Roten Liste der IUCN liegt die Gesamtpopulation der Giraffengazellen bei etwa 95.000 Individuen. Derzeit wird diese Art als "Near Threatened" (NT) eingestuft und ihr Bestand ist abnehmend.
Trotz der kleinen Gesamtpopulation spielen Giraffengazellen eine wichtige Rolle in den lokalen Ökosystemen. So verbessern Giraffengazellen durch ihre Nahrungssuche den Nährstoffkreislauf. Außerdem sind sie eine wichtige Beutetierart für zahlreiche Prädatoren in ihrem Verbreitungsgebiet (Leoparden, Löwen, Hyänen und andere).