Zwergschnäpper
Reich
Stamm
Klasse
Ordnung
Gattung
SPEZIES
Ficedula parva

Der Zwergschnäpper (Ficedula parva) ist ein in Mitteleuropa seltener Singvogel. Der obligate Zugvogel gehört zur Gattung der Höhlenschnäpper (Ficedula), die in etwa 30 Arten in der Paläarktis von Westeuropa bis Südostasien vertreten ist. Zusammen mit dem Taiga-Fliegenschnäpper (Ficedula albicilla) und dem Kaschmirzwergschnäpper (Ficedula subrubra), die früher beide als Unterarten von Ficedula parva geführt wurden, bildet er eine Superspezies.

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Der Schwerpunkt der Verbreitung von Ficedula parva liegt in der südlichen borealen Zone Europas bis zum Ural. Kleine Populationen bestehen im zentralen und nördlichen Mitteleuropa sowie in Südosteuropa.

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Herkunft der Tiernamen

Mit Zwerg~ werden in der deutschen Namensgebung Arten bezeichnet, die in ihrer Gattung die kleinsten sind. Die absolute Größe spielt dabei keine Rolle. Der Namensteil Schnäpper beschreibt die vorherrschende Jagdmethode dieser Gattung.

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Plinius der Ältere beschreibt im 10. Buch seiner Naturgeschichte kleine, nach Mücken oder Fliegen schnappende Singvögel, die er Ficedulae nennt. Ein Wortteil steht wahrscheinlich mit ficus = Feige, Feigenbaum in Zusammenhang. Parva ist die weibliche Form des lateinischen Adjektivs parvus und bedeutet klein.

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Aussehen

Der Zwergschnäpper ist mit gut 11 Zentimetern Körperlänge einer der kleinsten Fliegenschnäpper. Er ist damit nur geringfügig größer als ein Zaunkönig.

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Ältere Männchen sind auf Grund ihrer rötlich-orangen Brust und des mausgrauen Kopfes unverkennbar, doch erscheint dieses Alterskleid erst im zweiten Lebensjahr, und häufig weisen auch ältere Männchen nur eine undeutliche Rotfärbung der Kehle auf. Bestes Erkennungsmerkmal sind, neben der geringen Größe, die weißen äußeren Steuerfedern, die stark mit dem tiefen Schwarz des übrigen Schwanzes kontrastieren. Dies erzielt eine Wirkung, die durch häufiges Stelzen und Fächern des Schwanzes noch verstärkt wird.

Die Grundfärbung von Kopf und Rücken ist ein mattes, eher dunkles Braun; starke Gefiederzeichnungen fehlen. Kehle, Brust und Bauch der Männchen im ersten Lebensjahr und der Weibchen sind hell mit einem gelblichen Anflug an den Flanken. Eine gelblich-orange, schmale Flügelbinde ist nur schwach angedeutet. Auffallend sind die großen, schwarzen, hell umrandeten Augen sowie die von unten gesehen deutlich orange-gelbe Schnabelbasis.

Jungvögel sind stärker braungelblich gefärbt, ausgefärbte Weibchen zeigen mehr Grau- und blasse Isabelltöne, der rostrote, an ein Rotkehlchen erinnernde Kehl- und Brustbereich fehlt bei den Weibchen. Die Schwanzzeichnung ist jedoch in allen Altersstufen und bei beiden Geschlechtern markant.

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Verteilung

Erdkunde

Ficedula parva besiedelt in einem breiten Gürtel Ost- und Nordosteuropa, ostwärts etwa bis zur Westabflachung des Ural-Gebirges. Nach Norden reicht das Hauptverbreitungsgebiet stellenweise bis zum Polarkreis, nach Süden hin werden der mittlere Balkan und die Ostkarpaten erreicht. Weiter nach Osten schwankt die Südgrenze der geschlossenen Verbreitung etwa um 50° nördlicher Breite. Ein weiteres großes Brutgebiet liegt in den bewaldeten Stufen des Kaukasus, in den Vorbergen des Elburs-Gebirges, des nördlichen Zagros-Gebirges sowie im Bergland des südwestlichen Turkmenistan. In der Oblast Perm sowie etwas nördlich und südlich davon besteht eine breite Kontaktzone zum sehr nahe verwandten Taiga-Fliegenschnäpper, dessen Verbreitungsgebiete sich ostwärts anschließen und bis zur Pazifikküste reichen.

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Davon zum Teil isoliert und in ihren Bestandszahlen meist individuenarm bestehen Vorkommen in Österreich westwärts bis Vorarlberg, in Bayern und in einigen Gebieten Nord- und Mitteldeutschlands. Die dichtesten Zwergschnäpperbestände Deutschlands liegen im Osten nahe der polnischen Grenze. Auch an der bulgarischen Schwarzmeerküste sowie stellenweise im westlichen sowie im östlichen Pontischen Gebirge kommt die Art vor. In Skandinavien ist der Zwergschnäpper im südöstlichen Finnland ein regelmäßiger und nicht seltener Brutvogel, er brütet jedoch stellenweise auch im südwestlichen Finnland sowie an einigen Stellen in Südschweden sowie ganz vereinzelt in Südnorwegen. In Südwestdeutschland, der Schweiz und in Dänemark werden jährlich Brutzeitbeobachtungen gemacht, stabile Vorkommen bestehen zurzeit wahrscheinlich jedoch nicht. 2003 konnte in der Ostschweiz (Bezirk Prättigau-Davos) der erste Brutnachweis für diese Art in der Schweiz erbracht werden.

Die Habitatstrukturen der Art sind entsprechend der klimatisch recht unterschiedlichen Verbreitungsgebiete sehr vielfältig. Meist wird jedoch ein geschlossener, alter und hochstämmiger Baumbestand mit Verjüngungsinseln und nicht zu dichtem Kronenschluss bevorzugt. Ideale Zwergschnäpperbiotope weisen häufig ein unruhiges Bodenrelief auf, oft liegen sie in steilen Hanglagen, an tief eingeschnittenen Flussläufen oder in Schluchten. Wassernähe, ein gewisser Anteil an Totholz oder durch Sturmereignisse oder Schneebruch geschädigten Bäumen sowie absterbende, ausgebrochene oder tote Äste im oberen Stammbereich sind für optimale Lebensraumstrukturen der Art ebenfalls wesentlich.

Sind diese Voraussetzungen gegeben, kann die Baumartenzusammensetzung der besiedelten Wälder sehr unterschiedlich sein. Eine Bevorzugung von alten Laubmischwäldern scheint zu bestehen, doch brütet der Zwergschnäpper auch in der nordrussischen Fichtentaiga, in aufgelockerten alten Eichenbeständen und, wenn auch nur selten, in Streuobstwiesen mit alten, hochstämmigen Obstbäumen. Reine Kiefernwälder werden jedoch in der Regel nicht besiedelt. In Mitteleuropa sowie auf dem Balkan werden Rotbuchen- sowie Hainbuchenbestände bevorzugt aufgesucht, diesen können aber verschiedene andere Baumarten wie Eiche, Ahorn oder Birke beziehungsweise Fichte und Tanne beigemischt sein.

Ebenso unterschiedlich ist die vertikale Verteilung seiner Brutgebiete. Zwergschnäppervorkommen finden sich im Tiefland ebenso wie in der collinen und montanen Stufe. In einigen Verbreitungsinseln brütet er bis nahe an die jeweilige Baumgrenze, in Armenien fast bis in Höhen von 2300 Metern. Die mitteleuropäischen Vorkommen sowie die Brutplätze in Südosteuropa liegen mehrheitlich in der collinen und submontanen Höhenstufe.

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Zwergschnäpper Lebensraum-Karte
Zwergschnäpper Lebensraum-Karte
Zwergschnäpper
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Gewohnheiten und Lebensstil

Rivalisierende Männchen versuchen einander durch heftiges Singen und durch Imponierposen zu vertreiben. Manchmal stürzen sie auch aufeinander zu, ein Körperkontakt unterbleibt dabei aber in der Regel.

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Gegenüber potentiellen Feinden verhält sich der Zwergschnäpper meist sehr scheu und während der Brutperiode auch außerordentlich ruhig. Bei Störungen können frische Gelege sehr schnell aufgegeben werden. Dieses unauffällige und sehr vorsichtige Verhalten ändert sich mit dem Schlüpfen der Küken. Jetzt warnt das Männchen schon vor sehr weit entfernten potentiellen Feinden, bei weiterer Annäherung dieser, versuchen beide Eltern den Eindringling mit Schnabelknappen, Flügelflattern und Sturzflugattacken vom Nistplatz zu vertreiben.

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Lebensstil
Saisonales Verhalten
Vogelruf

Fressverhalten und Ernährung

Zwergschnäpper ernähren sich überwiegend carnivor von Insekten und kleineren Spinnentieren. Verschiedene Ameisen, kleine Käferarten, Schwebfliegen und Echte Fliegen sowie kleine Schmetterlinge und deren Entwicklungsstadien spielen sowohl in der Ernährung adulter Vögel als auch als Nestlingsnahrung die Hauptrolle. Gelegentlich werden auch kleine Schnecken verspeist. Im Herbst wird als Beikost Beerennahrung aufgenommen, insbesondere Beeren des Schwarzen und des Roten Holunders sowie Johannisbeeren und Brombeeren.

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Der Zwergschnäpper wendet verschiedene Jagdtechniken an: Als Wartenjäger erbeutet er vorbeifliegende Insekten in einem kurzen, selten über mehr als zwei Meter reichenden Jagdflug. Blätter, insbesondere Blattränder und Blattunterseiten, sowie einzelne Stammabschnitte werden in einem eher an einen Laubsänger erinnernden Suchflug inspiziert und entdeckte Beutetiere in einem rüttelnden Schwirrflug abgelesen. Meist sucht und erjagt die Art ihre Beute im oberen Stammabschnitt sowie im Kronenbereich der Bäume ihres Reviers; gelegentlich können Zwergschnäpper in der Strauchschicht und selten auch auf dem Boden beobachtet werden.

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Paarungsgewohnheiten

Die meisten Zwergschnäpper erlangen nach der ersten Rückkehr aus dem Winterquartier, also mit knapp einem Jahr, die Geschlechtsreife, viele dieser Einjährigen besetzen zwar ein Territorium, schreiten aber noch nicht zur Brut.

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Die Territoriumsbegründung und -behauptung sowie die Balz selbst nehmen nur eine relativ kurze Zeit in Anspruch, selten mehr als 2 bis 3 Wochen; während dieser Zeitspanne, die in Mitteleuropa zwischen Anfang Mai und Mitte Juni liegt, können Zwergschnäpper recht auffällig sein. Die Männchen besetzen sofort nach Ankunft ein Territorium, das durch Balzflüge und laute Reviergesänge markiert wird. Während dieser fliegt das Männchen mit flattrigen, zittrigen Flügelschlägen von einer Singwarte zur nächsten. Erscheint ein Weibchen im Revier, beginnt das Männchen geeignete Niststellen zu zeigen, schlüpft in Höhlen, Nischen oder Halbhöhlen, in denen es ein ritualisiertes Nestmulden vollführt. Später beteiligt sich auch das Weibchen an diesen Nistplatzexplorationen. Der Kopulation gehen mehrminütige Verfolgungsflüge voraus, unterbrochen von Imponierposen, bei denen das Männchen den Schwanz stelzt und fächerartig spreizt. Manchmal tänzelt das Weibchen mit hängenden Flügeln um das Männchen herum.

Der Zwergschnäpper ist Nischen-, Höhlen- oder Halbhöhlenbrüter. Häufig nützt er kleine Schadstellen im Stammbereich, Astausbrüche, Nischen, die durch abstehende Rindenteile entstanden, oder Nisthöhlen der Tannenmeise oder des Kleinspechts als Brutplatz. Manchmal baut die Art auch relativ freistehende, napfförmige Nester in Zweigquirlen. Auch Nistplätze in Felsspalten wurden festgestellt. Nur sehr selten nimmt der Zwergschnäpper Nistkästen an. Eine Nistbaumpräferenz kann nicht einheitlich festgestellt werden, eine Bevorzugung von Hainbuchen und Linden könnte aber vorliegen; auch die Höhen, in denen die Nester errichtet werden, sind sehr unterschiedlich; sie reichen von Bodennähe bis in beträchtliche Höhen von 20 Meter und mehr.

Das Nest wird fast ausschließlich vom Weibchen erbaut, das Männchen beteiligt sich an seiner Errichtung nur in den ersten Tagen durch Heranschaffen von Nistbaumaterial.

Freistehende Nester sind dicht verwobene, napfförmige Konstruktionen, an den üblichen Nischen- und Halbhöhlenstandorten sind die Nester jedoch mehr lose, verhältnismäßig voluminöse Ansammlungen von Nistmaterial. Hauptsächlich werden verschiedene Moose, feine Zweige und Halme, Stängel, Farne, manchmal auch dürre Blätter zum Nestbau verwendet. Die Auskleidung der Nistmulde besteht aus unterschiedlichen Raupengespinsten, Spinnfäden, aufgelesenem Wildhaar, zuweilen auch aus Federn.

Das Gelege besteht aus 4–7 kurzovalen, fast einfarbigen, hell rostbraun oder lehmgelb wirkenden Eiern mit einer durchschnittlichen Größe von 16,6 × 12,7 Millimetern. Das Legeintervall beträgt 24 Stunden, meist nach dem vierten Ei beginnt das Weibchen fest zu brüten. Die Brutdauer beträgt etwa 15 Tage; in dieser Zeit wird das Weibchen vom Männchen etwa zwei bis drei Mal in der Stunde gefüttert. Auch in den ersten Tagen nach dem Schlupf versorgt das Männchen die Nestlinge und das Weibchen allein mit Futter. Zuerst übergibt es die Nahrung dem Weibchen, etwa ab dem vierten Lebenstag der Küken füttert es selbst. Ab dieser Zeit beginnt auch das Weibchen zu jagen. Während der Aufzuchtszeit sind die Futterreviere der Art sehr klein, selten entfernen sich die Altvögel weiter als 100 Meter vom Nest. Die Jungen verbleiben etwa 16 Tage im Nest, nur bei Störungen verlassen sie es schon etwas früher. Schon flügge werden sie noch einige Tage von den Eltern betreut, bevor sie dismigrieren.

Die Brutperiode variiert regional recht stark; früheste Vollgelege wurden gegen Ende der ersten Maidekade festgestellt, die Mehrheit der Zwergschnäpper beginnt aber erst Mitte Juni mit der Eiablage und der Brut.Zwergschnäpper brüten einmal im Jahr, nur bei Gelegeverlust oder bei Brutaufgabe kommt es regelmäßig zu kleineren Nachgelegen.

1917 gelang dem Schötmarer Ornithologen Gustav Wolff der erste gesicherte Brutnachweis des Zwergschnäppers in Nordrhein-Westfalen, im Schötmarer Schlosspark konnte er im Juni desselben Jahres das erste Foto eines Brutpaars überhaupt machen.

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POPULATION

Populationszahl

Der Zwergschnäpper und der Taiga-Zwergschnäpper gelten zurzeit nicht als gefährdet; für Ficedula albicilla stehen jedoch nur wenige Daten zur Verfügung. Da der Zwergschnäpper zu den eher schwer zu kartierenden Arten gehört, könnte es sein, dass einige Brutvorkommen insbesondere am Westrand seines Verbreitungsgebietes noch nicht entdeckt wurden. Die Art könnte zumindest kurzfristig von den Sturmereignissen der letzten Jahre profitieren, da sich mit steigendem Totholzanteil mancher Waldgebiete die Verfügbarkeit geeigneter Beutetiere ebenso verbessert wie das Angebot an passenden Nistplätzen.

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Die Bestandssituation des Kaschmir-Fliegenschnäppers wird nach IUCN jedoch mit VU (=vulnerable) bewertet. Das nur kleine Verbreitungsgebiet dieser Art und ihre nur geringe Individuenanzahl lassen Ficedula subrubra bei fortschreitender Lebensraumzerstörung als sehr gefährdet erscheinen.

In der Roten Liste der Brutvögel Deutschlands von 2015 wird die Art auf der Vorwarnliste geführt.

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Referenzen

1. Zwergschnäpper artikel auf Wikipedia - https://de.wikipedia.org/wiki/Zwergschn%C3%A4pper
2. Zwergschnäpper auf der Website der Roten Liste der IUCN - https://www.iucnredlist.org/species/22735909/132037161
3. Xeno-Canto-Vogelruf - https://xeno-canto.org/697479

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