Schaf
Das Hausschaf (Ovis gmelini aries; früher Ovis aries Linné), kurz auch Schaf, ist die domestizierte Form des Mufflons. Es spielt in der Geschichte der Menschheit eine bedeutende Rolle als Milch-, Lammfleisch- beziehungsweise Hammelfleisch-, Woll- und Schaffelllieferant.
Domestizierte Schafe sind relativ kleine Wiederkäuer, in der Regel mit gekräuselten Haaren, die Wolle genannt werden, und oft mit Hörnern, die eine seitliche Spirale bilden. Je nach Rasse haben Hausschafe entweder gar keine Hörner oder Hörner bei beiden Geschlechtern oder nur bei den Männchen. Die Farben ihres Fells reichen von reinem Weiß bis zu dunklem Schokoladenbraun und sogar gefleckt oder gescheckt. Schafe haben einen ausgezeichneten Geruchssinn und verfügen über Duftdrüsen direkt vor den Augen und an den Füßen. Sie haben horizontale, schlitzförmige Pupillen und ein ausgezeichnetes peripheres Sehvermögen. Mit einem Gesichtsfeld von etwa 270° bis 320° können Schafe hinter sich sehen, ohne den Kopf zu drehen.
Auf der Welt gab es 2018 1,2 Mrd. Schafe, wovon ca. 50 Prozent in Asien lebten. In Afrika waren etwa 30 Prozent beheimatet und in Europa ungefähr 10 Prozent. Der Rest verteilte sich auf Ozeanien und Amerika.
In Europa lebten in Großbritannien mit zirka 33 Mio. Tieren im Jahre 2018 die meisten Schafe. Im Vergleich spielte Deutschland mit 1,6 Mio. Tieren 2018 eine geringere Rolle. Die Schafbestände in der EU sinken in den letzten Jahren stetig, was auf die Reform der gemeinsamen Agrarpolitik und die Entkopplung der Prämien von der Produktion zurückgeführt wird.
Betrachtet man die beiden wichtigsten Produktionsrichtungen, Fleisch und Wolle, fällt auf, dass Asien vor allem Wolle erzeugt und Europa Fleisch. Neuseeland nimmt hinsichtlich der Produktivität sowohl beim Fleisch als auch bei der Wolle eine Spitzenstellung ein. Afrika hat eine geringe Produktivität; dort werden aber vermehrt Rassen gehalten, die für die Haar- bzw. Pelzproduktion gezüchtet wurden.
In Deutschland überwiegt die standortgebundene Schafhaltung. 1994 wurden über 34 Prozent des Bestandes auf Koppeln gehalten. Die Herden, die das Bild in der Öffentlichkeit prägen, die Wanderherden und die Deichschäferei hatten 1994 einen Anteil von 15,7 bzw. 4 Prozent.
Domestizierte Schafe sind tagaktive Herdentiere. Sie verteidigen ihr Revier nicht, obwohl sie einen eigenen Bereich bilden. Alle Schafe versammeln sich in der Regel in der Nähe anderer Mitglieder einer Herde und können gestresst werden, wenn sie von ihren Herdenmitgliedern getrennt werden. Beim Schwarmbildend haben Schafe eine starke Tendenz zu folgen, und ein Anführer kann einfach das erste Individuum sein, das sich bewegt. Schafe bauen eine Dominanzhierarchie durch Kämpfe, Drohungen und Konkurrenzdenken auf. Dominante Tiere sind anderen Schafen gegenüber aggressiver und fressen in der Regel zuerst an den Trögen. Wenn sie bedroht werden, fliehen diese Tiere normalerweise vor der Gefahr. Schafe, die in die Enge getrieben werden, oder Weibchen mit neugeborenen Lämmern können angreifen und stoßen, oder sie drohen, indem sie mit den Hufen stampfen und eine aggressive Haltung einnehmen. Zu den Lauten, die Hausschafe von sich geben, gehören Blöken, Grunzen, Rumpeln und Schnauben. Das Blöken ("Blöken") dient vor allem der Kontaktaufnahme, kann aber auch Verzweiflung, Frustration oder Ungeduld signalisieren. Wenn Schafe Schmerzen haben, sind sie normalerweise still.
Domestizierte Schafe sind Pflanzenfresser (graminivore) Tiere. Die meisten Rassen bevorzugen Weidegänger, die Gras, Stängel, Kräuter und andere kurze Pflanzen fressen.
Der Brunstzyklus des weiblichen Tieres kann asaisonal oder saisonal sein. Die Saison (Brunstzeit) der Schafe liegt im Herbst. Schafe asaisonaler Rassen sind das ganze Jahr über im Rahmen der Zyklen empfängnisbereit. Sie durchlaufen einen Zyklus von 17 Tagen und sind dabei während zwei Tagen empfangsfähig. Die Tragezeit der Schafe beträgt ca. 5 Monate (durchschnittlich 150 Tage). Zwischen den einzelnen Rassen variiert die Tragezeit leicht. Schafe gebären ein bis zwei Lämmer, selten Drillinge pro Trächtigkeit.
In der DDR wurden Schafe ab 1971 künstlich besamt.
Nach früherer Auffassung entwickelten sich die kurzschwänzigen Hausschafrassen Nordwesteuropas, wie etwa die Heidschnucke, und einige afrikanische Rassen aus dem Europäischen Mufflon, die langschwänzigen Rassen (zum Beispiel Merino-, Fettschwanz- und Fettsteißschaf) dagegen aus dem Urial. Aufgrund neuerer Erkenntnisse hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass alle Hausschafrassen und -typen von nur einer Wildform, dem Armenischen Mufflon abstammen. Die Domestizierung des Schafes erfolgte schätzungsweise zwischen 8200 und 7500 v. Chr. und fand höchstwahrscheinlich in Anatolien statt. Schafe gehören (wie auch Hunde, Rinder und Ziegen) damit zu den ältesten Haustieren. Sie sind robust und genügsam, das macht sie anpassungsfähig in Bezug auf klimatische Bedingungen und Nahrungsangebot, was sicherlich zur weltweiten Verbreitung dieser Nutztiere beigetragen hat. Die ursprüngliche Züchtung bezog sich weitgehend auf die Lieferung von Fleisch als Nahrungsressource. Möglicherweise ab 6500 v. Chr. wurden Schafe auch zunehmend wegen ihrer Wolle gehalten. Erkennbar ist dies archäologisch an der Änderung der Altersstruktur hin zu älteren Individuen und der Zusammensetzung des Skelettmaterials in diversen Fundstellen. In Folge dessen nahm zudem die Körpergröße sukzessive zu. Im Zuge der Ausbreitung des Neolithikums erreichte das Hausschaf um 4500 bis 4000 v. Chr. auch den Nord- und Ostseeraum. Genetischen Untersuchungen zufolge geschah die Einwanderung in Mitteleuropa auf zwei Wegen: einerseits über eine westliche Route via Italien und Frankreich, anderseits über eine östliche Route via den Balkan und Österreich. Dabei ließ sich eine teils vertretene Meinung über zwei Einwanderungswellen unterschiedlicher Hausschaftypen, die Tiere mit normalem Haarkleid und solche mit wolligem Fell betreffen, nicht bestätigen. Vielmehr ist es wahrscheinlich, dass wollige Schafe mehrfach unabhängig gezüchtet wurden.
Ein sehr gründlich beschriebenes frühes Nutzschaf ist das sogenannte „Torfschaf“ der Schweizer Pfahlbausiedlungen, das in Verbindung zu verschiedenen neuzeitlichen Primitivrassen des alpenländischen Raumes steht, wie dem Bündner-Oberländer-Schaf.
Sehr früh in der Geschichte der Schafzucht tauchen auch bereits Tiere vom Typ des Zackelschafes auf, die wegen ihrer gerade abstehenden und in sich gedrehten Hörner auffallen. Schon in bronzezeitlichen Beständen finden sich auch Vierhornschafe, deren herausragendes Merkmal die Bildung irregulärer zusätzlicher Hörner ist. Regionale Schafrassen bildeten sich sehr früh heraus. Die Mehrzahl der heute in den westlichen Ländern gehaltenen Schafrassen sind Zuchten, die ab dem 18. Jahrhundert entstanden. Einer der bedeutendsten Züchter war Robert Bakewell (1725–1795), der als Erster eine selektive Zuchtwahl betrieb und lokale britische Rassen wie das Lincolnschaf und Leicesterschaf in ihrer Fleischleistung verbesserte. Wegen seiner Zuchterfolge nannten ihn seine britischen Zeitgenossen den „Großen Verbesserer“. Die von Bakewell verbesserten Schafrassen wurden in späteren Jahrzehnten in andere Länder ausgeführt, darunter auch Australien und Nordamerika. Sie haben zur Herausbildung zahlreicher moderner Schafrassen geführt. Dem schwerpunktmäßig in Mittel- und Osteuropa gehaltenen Texelschaf wurden Mitte des 19. Jahrhunderts beispielsweise insbesondere Leicester- und Lincolnschafe eingekreuzt. Ebenso wurden in das französische Bleu du Maine Leicesterschafe eingekreuzt. Philip Walling geht in seiner 'Geschichte der britischen Schafzucht' davon aus, dass es heute in der gesamten westlichen Welt keine Schafrasse gibt, die nicht auch Erbgut des von Bakewell verbesserten Leicesterschafes aufweist.
Die Schafzucht stellte in vielen Kulturen, besonders im Mittelmeerbereich, eine häufige Form der Landwirtschaft dar.
Das Schaf hatte eine fundamentale Bedeutung in den alten Wirtschaftssystemen und diente lebend als Lieferant für Wolle und Milch, mit Milchprodukten wie Joghurt, Kefir und Schafkäse, sowie das geschlachtete Tier als Fleisch- und Fell-Lieferant. Schafe liefern beispielsweise auch das Rohmaterial für Leime, Kerzen und Seife (Talg) und kosmetische Produkte, der Darm wird bei der Wurstherstellung und zum Bespannen von Tennisschlägern verwendet, der Schafskot liefert hochwertigen Dünger.