Der Amazonasdelfin (Inia geoffrensis) ist eine der drei in Südamerika verbreiteten Arten der Amazonas-Flussdelfine. Der ebenfalls im Amazonas auftretende Amazonas-Sotalia ist ein Vertreter der eigentlichen Delfine.
Amazonasdelfine werden 2 bis 3 Meter lang und erreichen ein Gewicht von 85 bis 160 Kilogramm. Ihre Farbe verändert sich mit dem Alter: Jungtiere sind silbergrau, ältere Amazonasdelfine werden rosa. Der Kopf ist rundlich, die lange Schnauze deutlich von ihm abgesetzt. Die Augen sind winzig und verkümmert, sind aber noch funktionsfähig. Einmalig unter allen Flussdelfinen ist die Behaarung der Schnauze, die mit steifen Borsten besetzt ist. Seine Halswirbel sind nicht verwachsen, was ihn besonders beweglich macht. Auch ist sein Schultergelenk nicht in der für Wale und Delfine typischen Weise verwachsen. Eine Besonderheit des Amazonasdelfins ist, dass sein Gebiss nicht aus homogenen Zähnen besteht, sondern im hinteren Bereich der Schnauze wesentlich breitere Zähne vorhanden sind. Diese ermöglichen das Zerkauen großer Beutefische und das Brechen von Panzern.
Es gibt zwei verschiedene Unterarten, die beide in der Nordhälfte Südamerikas verbreitet sind:
Der ehemals ebenfalls als Unterart betrachtete Inia boliviensis im Oberlauf des Rio Madeira, der zwar ein Nebenfluss des Amazonas ist, aber durch eine Serie von Stromschnellen und Wasserfällen von diesem getrennt ist, gilt inzwischen als eigenständige Art, die von I. geoffrensis vor etwa 2,8 Millionen Jahren isoliert wurde.
Als einzelgängerisches Tier wird der Amazonasdelfin nur selten gemeinsam mit Artgenossen gesehen. Er meidet die großen Ströme und hält sich bevorzugt in den sumpfigen, stehenden Nebenarmen auf. Hier braucht er seinen ohnehin verkümmerten Gesichtssinn nicht, sondern verlässt sich ganz auf Echoortung bei der Suche nach seiner Beute, die vorwiegend aus kleinen Fischen besteht. Amazonasdelfine tauchen nur kurz und kommen etwa alle dreißig Sekunden zum Luftholen an die Oberfläche. Sie sind weniger aktiv als ozeanische Delfine und vollführen so gut wie nie Sprünge.
Amazonasdelfine sind Fleischfresser (Fischfresser). Ihre Ernährung besteht in der Regel aus Krustentieren, Fischen und Krebsen.
Derzeit ist nur sehr wenig über das Paarungssystem dieser Tiere bekannt. So wurde angenommen, dass die Delfine monogam sind, aber neuere Studien haben Fakten entdeckt, die auf andere Arten des Paarungsverhaltens bei dieser Spezies hinweisen. Die Männchen dieser Delfine sind merklich größer als die Weibchen. Sie zeigen ein äußerst aggressives Verhalten: Durch Beißen und Schaben beschädigen die männlichen Delfine oft ihre Flossen, Fluken und Blaslöcher. Auf der anderen Seite führt das Zähneziehen zu Narbenbildung. Der Grund für dieses Verhalten kann ein harter Wettbewerb um die Paarungsrechte sein, was uns zu dem polygynen Paarungssystem bringt. In der Zwischenzeit praktizieren sie wahrscheinlich Polyandrie und Polygynandrie - ein Paarungssystem, bei dem sowohl Männchen als auch Weibchen eine Reihe von Partnern haben. Die Brutzeit findet von Oktober bis November statt, während die Trächtigkeit etwa 11 Monate dauert. Das Delfinweibchen bringt normalerweise im Abstand von bis zu 5 Jahren ein einziges Baby zur Welt. Sobald das Baby geboren ist, hilft die Mutter dem Jungtier sofort, an die Wasseroberfläche zu kommen, um Luft zu holen. Das Kalb wird nach der Geburt etwa ein Jahr lang von seiner Mutter gesäugt und wird innerhalb von 2-3 Jahren unabhängig. Männliche Delfine sind im Alter von 7-12 Jahren paarungsbereit, während die Weibchen im Alter von 6-10 Jahren mit der Fortpflanzung beginnen.
Die Art wird von der IUCN als stark gefährdet (endangered) geführt. Es gibt keine genauen Schätzungen zu Populationszahlen, es wird aber von einem Rückgang der Populationsgröße ausgegangen. Der Amazonasdelfin ist vielfältigen Bedrohungen ausgesetzt: Er verfängt sich gelegentlich in Fischernetzen oder gerät durch seine Neugier in Schiffspropeller. Regional wird er von Fischern getötet, die in ihm einen Konkurrenten beim Fischfang sehen. Auch durch Staudämme, die die Populationen voneinander isolieren und Lebensraum drastisch verändern, und Flussverschmutzung, u. A. durch Quecksilber, ist der Amazonasdelfin gefährdet. Eine sehr große Bedrohung ist ebenfalls das gezielte Töten der Delfine durch Fischer, welche die Delfine als Köder bei der lukrativen Jagd auf den Piracatinga oder Zamurito (Calophysus macropterus), einer Welsart, benutzen. Geschätzt wurden jedes Jahr bis zu 1.200 Tonnen des Fisches von Brasilien nach Kolumbien exportiert, und vermutlich mehr als 4.000 Amazonasdelfine jährlich allein zu diesem Zweck nur im Bundesstaat Amazonas getötet. Die Abschätzung genauer Zahlen ist schwierig, das Phänomen an sich ist allerdings häufig dokumentiert worden. Seit 2015 besteht in Brasilien ein Verbot der Piracatinga-Fischerei, welche allerdings weiterhin in Peru, Venezuela und Bolivien, sowie vermutlich trotz des Verbots auch in Brasilien noch praktiziert wird.
Laut der Roten Liste der IUCN ist die Gesamtgröße der Population des Amazonasdelfins heute unbekannt, aber es gibt geschätzte Populationen in bestimmten Gebieten. So gibt es im Amazonasbecken 107 Individuen im Solimões-Fluss (Brasilien), 346 Individuen im Amazonas-Fluss an der Grenze zu Peru und Kolumbien, etwa 260 Individuen im Mamirauá-See-System in Brasilien und 13.000 Individuen im Mamirauá-Reservat für nachhaltige Entwicklung. Im Orinoco-Becken leben 122 Individuen im Apuré-Fluss (Venezuela), 14-15 Individuen im Orinoco-Fluss (Venezuela) und 8 Individuen im Casiquiare-Fluss (Venezuela). Derzeit ist diese Art auf der Roten Liste der IUCN als Unzureichende Datengrundlage (DD) eingestuft.
Amazonasdelfine spielen eine wichtige Rolle als Prädatoren des Flusses. Sie ernähren sich von einer Reihe von Fischarten und kontrollieren so deren Populationen.