Wisent
Reich
Stamm
Unterstamm
Klasse
Ordnung
Familie
Unterfamilie
Tribus
Gattung
SPEZIES
Bison bonasus
Populationsgrösse
2,518
Lebensdauer
14-28 years
Gewicht
300-920
660-2024
kglbs
kg lbs 
Höhe
1.6-2
5.2-6.6
mft
m ft 
Länge
2-3.5
6.6-11.5
mft
m ft 

Der Wisent oder Europäische Bison (Bos bonasus; häufig auch Bison bonasus) ist eine europäische Rinderart (Bovini). Wisente kamen noch bis in das frühe Mittelalter in den Urwäldern von West-, Zentral- und Südosteuropa vor. Ihr Lebensraum sind gemäßigte Laub-, Nadel- und Mischwälder. Wisente sind Herdentiere, dem Lebensraum entsprechend aber nur in kleinen Gruppen anzutreffen. Typische Herden umfassen 12 bis 20 Tiere und bestehen aus Kühen und Jungtieren. Geschlechtsreife Bullen halten sich nur während der Brunftzeit bei den Herden auf. Der äußerlich ähnliche Amerikanische Bison (Bos bison) ist mit dem Wisent uneingeschränkt kreuzbar.

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In Europa gab es neben dem eigentlichen Wisent (Bos bonasus), manchmal auch Flachlandwisent genannt, noch den Bergwisent (Bos caucasicus), der aber ausgerottet ist (teilweise wird er auch nur als Unterart des Wisents angesehen und dann mit Bos bonasus caucasicus bezeichnet), beziehungsweise in einer Mischform (Hybride) mit dem eigentlichen Wisent aufgegangen ist. In der Wisentzucht unterscheidet man drei Zuchtlinien: die Flachlandlinie (reinerbige Flachlandwisente), die Flachland-Kaukasus-Linie (Kreuzung aus Flachlandwisent und Bergwisent) sowie die Hochlandlinie (Kreuzung aus Flachlandwisent und Bergwisent mit weiterer Einkreuzung von Amerikanischen Bisons). Alle reinblütigen Tiere sind im Weltwisentzuchtbuch, das im Białowieża-Nationalpark geführt wird, registriert.

In den 1920er Jahren war der Wisent akut vom Aussterben bedroht; der letzte freilebende Wisent (ein Bergwisent) wurde 1927 im Kaukasus geschossen. Alle heute lebenden Wisente stammen von zwölf in Zoos und Tiergehegen gehaltenen Wisenten ab. Die niedrige genetische Variabilität gilt als eine der wesentlichen Gefahren für den langfristigen Erhalt der Art. Nach Anstrengungen seitens Zoos und Privatpersonen, die Art zu erhalten, konnten die ersten freilebenden Wisentherden 1952 im Gebiet des heutigen Nationalparks Białowieża an der polnisch-weißrussischen Grenze durch Auswilderung wieder angesiedelt werden. Im Jahre 2004 existierten 31 freilebende Populationen in einer Gesamtstärke von 1955 Wisenten. Das entspricht rund 60 Prozent des Weltbestandes. Im Jahre 2013 wurde im nordrhein-westfälischen Rothaargebirge eine achtköpfige Wisentherde ausgewildert (siehe unten). Damit leben nun erstmals seit einem halben Jahrtausend wieder Wisente frei auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands. Die Schutzgemeinschaft Deutsches Wild erklärte den Wisent für das Jahr 2008 und erneut für das Jahr 2014 zum Tier des Jahres. 2022 wurden auch erstmals wieder eine Wisentkuh und ihr Jungtier in England (in einem Wald nahe Canterbury) ausgewildert.

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Aussehen

Der Wisent ist seit der Ausrottung des Auerochsen Europas schwerstes und größtes Landsäugetier und zudem der letzte Vertreter der wildlebenden Rinderarten des europäischen Kontinents. Wisente weisen 14 Rippenpaare und fünf Lendenwirbel auf. Das Hausrind dagegen hat 13 Rippenpaare und sechs Lendenwirbel. Geschlechtsreife Wisentbullen sind wesentlich schwerer und größer als ausgewachsene Kühe. Der auffällige Gewichtsunterschied zwischen Männchen und Weibchen entwickelt sich erst ab dem dritten Lebensjahr. Kuhkälber wiegen bei Geburt durchschnittlich 24 und Stierkälber 28 Kilogramm. In den ersten drei Lebensmonaten verdoppelt sich das Gewicht und beträgt am Ende des ersten Lebensjahres durchschnittlich 175 Kilogramm bei Kühen und 190 Kilogramm bei Bullen. Mit vier Jahren bringen in Gehegezucht gehaltene Bullen dagegen bereits 500 Kilogramm auf die Waage, während die Kühe bei durchschnittlich 400 Kilogramm liegen. Der schwerste in polnischer Gehegezucht gehaltene Bulle erreichte ein Körpergewicht von 920 Kilogramm. Die freilebend im Białowieżaer Reservat gehaltenen Wisente sind dagegen deutlich leichter. Vierjährige Bullen haben ein durchschnittliches Gewicht von 467 Kilogramm, während Kühe 341 Kilogramm wiegen. Der schwerste freilebende Bulle wog 840 Kilogramm.

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Die Kopf-Rumpflänge beträgt bei Bullen, die älter als sechs Jahre sind, bis zu drei Meter. Ihre Widerristhöhe kann bis zu 1,88 Meter betragen. Wisentkühe erreichen eine Widerristhöhe von maximal 1,67 Meter und eine Kopf-Rumpflänge von 2,70 Meter.

Der Rumpf ist bei beiden Geschlechtern verhältnismäßig kurz und schmal. Der Kopf ist tief angesetzt und im Verhältnis zum Körper klein. Auffällig ist bei Wisenten vor allem die vom Widerrist nach hinten abfallende Rückenlinie und die im Vergleich zum relativ schwachen Hinterteil sehr muskulöse Vorderpartie. Wisentkälber sind zunächst hochbeinig und ohne solche disproportionalen Unterschiede. Die wisenttypischen Körperproportionen entwickeln sich bei ihnen im Alter von acht bis zehn Monaten.

Bei den Bullen sind die Dornfortsätze der Brustwirbel länger und stärker von Muskeln umgeben, so dass ihr Buckel auffallend größer ist als der der Weibchen. Die Ohren sind kurz, breit, dicht behaart und im dichten Kopfhaar weitgehend verborgen. Beide Geschlechter haben Hörner, die am hinteren Kopfrand stehen. Die Hörner der Kühe sind im Vergleich zu denen der Bullen kürzer und dünner. Hornanlagen sind bereits bei neugeborenen Kälbern entwickelt. Erst ab dem zweiten Lebensjahr biegen sich die Hörner nach innen, dabei bleibt der Abstand zwischen den Hornspitzen größer als an den Hornbasen. Die Hornkrümmung ist bei Kühen stärker entwickelt, so dass der Hornabstand bei den Bullen größer ist. Die Hörner sind in der Regel grauschwarz, bei einzelnen Individuen treten jedoch helle Hornspitzen auf. Ältere Bullen haben häufig abgestumpfte Hornspitzen.

Das Euter der Kühe, das zwei Zitzenpaare aufweist, ist klein und hoch angesetzt. Der Hodensack der Bullen liegt dicht am Unterbauch und ist deutlich kleiner als beispielsweise bei einem Hausrind. Die Penisvorhaut endet mit einem Haarbüschel, so dass sich bei Feldbeobachtungen die Geschlechter relativ eindeutig bestimmen lassen. Die Augen sind relativ klein, von brauner Farbe mit einer quer-ovalen Pupille. Die Lidränder und die Bindehaut sind schwarz. Charakteristisch für Wisente ist außerdem ein Moschusgeruch.

Die Haut von Wisenten ist am dicksten am mittleren Halsrücken und extrem elastisch. In der Literatur finden sich Schilderungen von Unfällen oder Kämpfen mit Artgenossen, bei denen die Tiere schwere innere Verletzungen erlitten, die Haut jedoch nicht durchdrungen wurde. Das Lautrepertoire der Wisente ist nicht sehr groß. Charakteristische Laute sind ein brummendes Knören und bei Erregung ein scharfes Prusten. Kühe sind in der Lage, ihre Kälber anhand der Stimmen zu identifizieren, und Kälber können auch innerhalb größerer Herden ihre Mütter anhand deren Stimme finden.

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Verteilung

Erdkunde

Die ursprüngliche Verbreitung des Wisents umfasste einen großen Teil des europäischen Kontinents. In vor- und frühgeschichtlicher Zeit reichte sein Verbreitungsgebiet vom Norden der Iberischen Halbinsel über Mitteleuropa und den Süden der skandinavischen Halbinsel bis ins Baltikum; von der Rigaer Bucht verlief die Verbreitungsgrenze südostwärts bis ans Schwarze Meer und zum Kaukasus. Die Verbreitung reichte im Kaukasus vom Meeresniveau bis in eine Höhe von 2100 Metern. Im Süden reichte das Vorkommen wohl noch im Holozän (der Nacheiszeit/Neuzeit) bis in den nördlichen Iran, in Europa bis nach Griechenland und in die Türkei hinein. Im Norden erreichte der Wisent Finnland und das Gebiet von Nowgorod. Raschīd ad-Dīn berichtet in seinem Geschichtswerk, Abaqa, Ilchan von Persien habe in den Bergen bei Schahrud 1275/76 in den Wäldern „Bergbüffel“ gejagt, also im Elburs-Gebirge südöstlich des Kaspischen Meeres. Das lässt ein Vorkommen in historischer Zeit bis zum Kaspischen Meer und Koh-i-Elburz in Afghanistan zumindest denkbar erscheinen.

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Der Lebensraum der Wisente begann bereits während des Neolithikums vor etwa 6000 Jahren zu schrumpfen. Der Übergang von Jäger- und Sammlerkulturen zu sesshaften Bauern, der im Neolithikum begann, ging mit einer immer stärkeren menschlichen Nutzung und Abholzung von Wäldern einher. Auf Lichtungen und gerodeten Flächen wurden zunehmend Kulturfrüchte angebaut und der Wald als Weidefläche für Haustiere genutzt. Infolge dieser zunehmenden Urbarmachung und Nutzung der Wälder war der Wisent in weiten Teilen Frankreichs bereits im 8. Jahrhundert ausgestorben. Auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands verschwand der Wisent zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert. In Ostpreußen gab es zu Beginn des 18. Jahrhunderts noch so viele Wisente, dass man im Königsberger Hetztheater anlässlich der Krönungsfeierlichkeiten von Friedrich I. im Januar 1701 mehrere Wisente gegen Bären und Wölfe kämpfen ließ. Der letzte freilebende ostpreußische Wisent wurde 1755 im Tapiauer Forst von einem Wilderer erlegt. In Rumänien gab es wildlebende Wisente noch im ausgehenden 18. Jahrhundert.

Im Gebiet des heutigen Polens waren Wisente bereits im 11. Jahrhundert selten, Restbestände konnten sich jedoch in größeren Waldgebieten halten, in denen sie als königliches Jagdwild geschützt waren. Besondere Bedeutung für den Erhalt des Wisents hatte der Wald von Białowieża. Bereits im Mittelalter war diese entlegene Region im Grenzgebiet zwischen dem heutigen Polen und Weißrussland ein privilegiertes Jagdgebiet der polnischen Könige. Wisente durften hier nur mit besonderer Bewilligung des polnischen Herrschers gejagt werden. Ab 1795 stand das Gebiet unter strengem Schutz des russischen Zaren. Das Gebiet wurde zwar als Hudewald genutzt, auf Wilderei stand jedoch die Todesstrafe und ab 1803 war in weiten Teilgebieten des Waldes Holzeinschlag untersagt. Von 1832 bis zum Ende des Ersten Weltkriegs wurde der Wisentbestand jährlich gezählt. Er erreichte 1857 mit 1900 Wisenten sein Maximum. Danach kam es durch zwei Epizootien in den Jahren 1890 und 1910 zu einem Rückgang der Bestände. Anfang 1915 lebten noch etwa 770 Wisente in diesem Gebiet. Im Herbst 1917 waren es nur noch 150 Tiere. Unmittelbar nach Ende des Ersten Weltkriegs fielen die meisten Tiere marodierenden Soldaten sowie Wilderern zum Opfer. Überreste eines gewilderten Wisents sowie Fährten von vier weiteren Tieren wurden letztmals am 4. April 1919 gefunden. Da jedoch während des 19. Jahrhunderts aus Wisentbeständen dieses Gebietes immer wieder Wisente gefangen und an Zoos und Gehege verschenkt worden waren, konnte auf diese Nachkommen Białowieżaer Wisente zurückgegriffen werden, als in den 1920er Jahren die Bemühungen einsetzten, die Art zu erhalten. Die sogenannte Pleß-Linie geht beispielsweise auf einen Bullen und vier Kühe zurück, die 1865 dem Fürsten von Pleß geschenkt und mit denen über einige Jahrzehnte in den Pleßer Wäldern gezüchtet wurde. Große Bedeutung hat in der heutigen Erhaltungszucht der Bulle Plisch mit der Zuchtbuchnummer 229, der 1936 von Pleß wieder nach Białowieża zurückgebracht wurde. Von ihm stammen fast alle zurzeit im Urwald von Białowieża lebenden Wisente ab.

Bereits im 17. Jahrhundert war in Mitteleuropa bekannt, dass es auch in Kaukasien Wisentbestände gab. Erst im 19. Jahrhundert sammelten Naturforscher wie Alexander von Nordmann und Gustav Radde während ihrer Forschungsreisen nähere Einzelheiten über die dort lebenden Wildrinder. Das Verbreitungsgebiet des Kaukasus-Wisents war der Nordhang des Kaukasusmassivs sowie dessen Vorgebirge. Auf der Südseite des Gebirges kamen Wisente nur im Westen bis etwa zur Grenze von Abchasien vor. Im 19. Jahrhundert lebten vom Kaukasus-Wisent noch etwa 2000 Individuen. Die Bestände gingen aufgrund des Großen Kaukasuskrieges sowie zunehmender menschlicher Besiedlung des Verbreitungsgebietes mehr und mehr zurück. In den 1890er Jahren existierten nur noch 442 Kaukasus-Wisente, die vom russischen Zaren unter Schutz gestellt wurden. Nachdem im Jahr 1919 zusätzlich eine Epizootie durch Hausrinder eingeschleppt worden war, verringerte sich die Zahl der Tiere auf 50 Individuen. Der letzte freilebende Kaukasuswisent wurde 1927 getötet. Ein Bulle dieser Art mit Namen Kaukasus und Zuchtbuchnummer 100 spielte jedoch in der Erhaltungszucht der Wisente eine bedeutende Rolle. Er wurde mit Flachlandwisenten gekreuzt und begründete damit die Flachland-Kaukasus-Linie.

Wiederansiedlungen von Wisenten erfolgten 1952 im polnischen Teil und 1953 im weißrussischen Teil von Białowieża. 2004 lebten in Polen, Weißrussland, der Ukraine, Russland, Litauen und der Slowakei 29 freie und zwei halbfreie Populationen. Seit den 1980er Jahren lebt auch im russischen Altaigebirge wieder eine kleine Population des Flachlandwisents, die aber zunehmend an Inzucht leidet.

Der bevorzugte Lebensraum der Wisente sind offene und halboffene Weideflächen, die er sich aus Sicht der Megaherbivorenhypothese auch selbst schaffen kann. Ausgedehnte Wälder, in welchen der Wisent vor seinem Aussterben in der Freiheit zuletzt vorkam, stellen nur einen Ersatzlebensraum dar. Wo Wisente in Wäldern leben, bevorzugen sie Laub- und Mischwälder mit einem ausgeprägten Mosaik unterschiedlich dichter Vegetationsstrukturen. Reine Nadelwälder werden nur selten aufgesucht, Mischwäldern wird aber der Vorzug vor reinen Laubwäldern gegeben. Eine Vorliebe zeigen Wisente für Erlenbruchwälder. Im Wald von Białowieża, der nicht nur die ältesten freilebenden Wisentherden beherbergt, sondern auch das ursprünglichste und vom Menschen am wenigsten geprägte Waldgebiet in Mitteleuropa ist, machen tote Bäume etwa 20 Prozent der Gesamtholzmasse aus. Dadurch ist der Wald deutlich lichter als mitteleuropäische Wirtschaftswälder. Entsprechend kann sich eine dichtere Krautschicht entwickeln. Die jahreszeitlich unterschiedliche Entwicklung der Krautschicht in Białowieża prägt das Nutzungsverhalten der Tiere: So halten sich Wisente im Frühjahr überwiegend in Laubwäldern auf, in denen sich die Krautschicht am frühesten entwickelt. Ab Ende Mai nutzen sie bevorzugt frische Mischwälder, in denen die Krautschicht sich später entwickelt und im Juni und Juli in voller Blüte steht. Die Reviergröße einer Gruppe von Wisenten beträgt etwa 4600 bis 5600 Hektar. Die Reviere einzelner Gruppen können sich jedoch zu einem großen Teil überlappen. Der Wisent ist sehr tolerant gegenüber borealem Klima, und man geht davon aus, dass die Nordgrenze der Verbreitung während der Neuzeit vor allem durch anthropogene Einflüsse bestimmt war. Eine Herde, die seit den 1990er Jahren in der Oblast Wologda auf etwa 60°N lebt, kommt etwa gänzlich ohne Winterfütterung aus.

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Wisent Lebensraum-Karte
Wisent Lebensraum-Karte
Wisent
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Gewohnheiten und Lebensstil

Studien zur Lebensweise der Wisente liegen nur für solche Tiere vor, die zumindest zeitweise zugefüttert werden. So werden auch die im Urwald von Białowieża freilebenden Wisentherden während des Winters mit Heu gefüttert, bei großen Schneehöhen nehmen die Tiere keine andere Nahrung mehr zu sich.

Saisonales Verhalten

Fressverhalten und Ernährung

Der Wisent ist ein typischer Raufutterverwerter (pflanzliche Nahrung mit Silikateinlagerungen). Dies unterscheidet ihn vom Rothirsch, der den sogenannten Intermediärtyp vertritt, und vom Reh, das als sogenannter Selektierer nur energiedichte Pflanzenarten und -teile frisst. Die drei Arten sind deshalb keine Konkurrenten um Nahrungsressourcen. Die Literaturangaben über den täglichen Nahrungsbedarf eines ausgewachsenen Wisents reichen von 30 bis 60 Kilogramm.

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Während der Vegetationszeit äsen Wisente überwiegend die Krautschicht, und unabhängig vom Waldtyp stellt dies die Hauptquelle der Nahrung dar. Regelmäßig werden auch junges Laub und Triebe gefressen, allerdings macht dies immer einen geringen Teil der Nahrung aus. Baumrinde wird vor allem gegen Ende des Winters abgeschält und gefressen. Bei Populationen, die im Winter kein Heu erhalten – wie die in freier Wildbahn lebenden Wisente im Zentralkaukasus –, stellen Brombeersträucher und unter dem Schnee freigescharrte Krautvegetation den Hauptteil der Nahrung dar. Auch hier steigt der Anteil von Baumrinde in der Nahrung deutlich an, wenn die Schneedecke höher ist.

In Białowieża hat man insgesamt 137 Pflanzenarten identifiziert, die in der Ernährung der Wisente eine Rolle spielen. Dazu zählen Wald-Reitgras, Wald-Segge und Behaarte Segge, Giersch, Große Brennnessel, Wolliger Hahnenfuß sowie Kohl-Kratzdistel. Triebe und junges Laub werden insbesondere von Hainbuche, Salweide, Esche und Himbeere gefressen. Die Baumrinde von Stiel-Eiche, Hainbuche, Esche und Fichte spielt im Winter eine Rolle. Daneben werden im Herbst Eicheln und Bucheckern aufgenommen.

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Paarungsgewohnheiten

PAARUNGSVERHALTEN

Zur Fortpflanzung kommen in der Regel Bullen zwischen dem sechsten und zwölften Lebensjahr. Weder jüngere noch ältere Bullen können sich in den Revierkämpfen gegen ihre männlichen Artgenossen durchsetzen. Unter Gehegebedingungen sind aber auch ältere Bullen noch fortpflanzungsaktiv. Freilebende Kühe gebären ihr erstes Kalb in der Regel im vierten Lebensjahr. Sie bleiben bis ins hohe Alter fruchtbar. Kühe, die noch mit 20 Jahren Kälber werfen, sind auch in der freien Haltung keine Seltenheit. Unter natürlichen Umständen kalben die Kühe durchschnittlich alle zwei Jahre. In Gehegehaltung, wo das Futter ganzjährig reichlich zur Verfügung steht, werfen viele Kühe auch jährlich.

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Wisente haben ein polygynes Paarungssystem: Ein Bulle deckt mehrere Kühe. In der Regel bestehen die Harems aus zwei bis sechs paarungsbereiten Kühen. Die Brunfterscheinungen bei den Weibchen sind nicht sehr auffällig. Die Kühe sind lediglich etwas unruhiger. Bullen sind dagegen deutlich aggressiver und vertreiben beispielsweise auch kleine Vögel, die in der Nähe nach Insekten suchen. Auch Kälber werden gelegentlich von ihnen angegriffen.

Die meisten Deckakte finden zwischen August und Oktober statt. Brunftkämpfe zwischen Bullen sind verhältnismäßig selten, beispielsweise im Vergleich zu Rothirschen. Treffen zwei Bullen von ähnlicher Größe und Kraft aufeinander, geht dem Kampf ein ritualisiertes Verhalten voraus, bei dem sich der hohe Erregungszustand der Bullen unter anderem durch ein Wühlen im Boden mit den Klauen, ein Wälzen an Stellen, die sie zuvor mit Urin getränkt haben, oder ein Bearbeiten von Bäumen mit den Hörnern ausdrückt. In der Hauptphase des Kampfes stehen die Bullen frontal mit den Köpfen zueinander, greifen sich in kurzen Zeitabständen mit den Hörnern an und versuchen sich über den Kampfplatz zu schieben. Der Kampf wird in der Regel beendet, wenn einer der beiden Bullen aufgibt. Gelegentlich enden die Kämpfe mit Verletzungen der beteiligten Bullen oder auch tödlich.

Zum typischen Verhalten der Bullen während der Brunftzeit gehört ein Beschnuppern der äußeren Geschlechtsteile der Kühe. Bei diesem sogenannten Flehmen hebt der Bulle den Kopf an, streckt den Hals hoch und zieht die Lippen auseinander. Dabei prüft der Bulle die Konzentration der Sexualhormone im Harn der Kühe, um deren Paarungsbereitschaft zu beurteilen. Eine hochbrünftige Kuh wird für ein oder zwei Tage nahezu ununterbrochen vom Bullen begleitet. Dabei flehmt er wiederholt oder beleckt und beschnuppert ihre Schamgegend. Der hohe Erregungszustand des Bullen drückt sich durch ein Verhalten aus, das den Handlungen kurz vor einem Kampf mit einem anderen Bullen gleicht. Sehr häufig sind von ihnen knörende Rufe zu hören. Während der Brunftzeit fressen Bullen verhältnismäßig selten und verlieren in dieser Zeit erheblich an Gewicht.

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POPULATION

Populationsgefährdung

In der Vergangenheit, insbesondere im Mittelalter, wurden Wisente häufig wegen ihres Fells und zur Gewinnung von Trinkhörnern getötet. Gegenwärtig sind die Hauptbedrohungen für diese Tiere Konflikte und politische Instabilität im Kaukasus, der Mangel an Lebensraum, die Fragmentierung der Populationen, Inzucht und Hybridisierung, Krankheiten und Wilderei.

Populationszahl

Im Jahre 2006 standen etwa 3200 reinblütige Wisente im Zuchtbuch. Davon wurden ungefähr 420 in Deutschland, 26 in der Schweiz und 13 in Österreich gehalten. Rund 60 Prozent des Weltbestandes lebten im Jahre 2004 in freilebenden Populationen.

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Der heutige Schwerpunkt der Wisentzucht liegt in einer Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Zuchtstätten und Züchtern. So gibt es seit 1996 ein Europäisches Erhaltungszuchtprogramm, das zooübergreifend die Zucht der in Gefangenschaft gehaltenen Wisente koordiniert.

Ein weiteres Ziel ist der Aufbau weiterer freilebender Wisentbestände, wobei zwei Aspekte eine besondere Rolle spielen: Wisente in freien Populationen sind in der Lage, die Merkmale ihrer wilden Vorfahren unter den Bedingungen der natürlichen Selektion wiederzuerlangen. Wegen der hohen Kosten der Gehegehaltung ist es nur über Auswilderungen möglich, den Wisentbestand weiter zu erhöhen. Seit einigen Jahren versucht man bevorzugt, Wisente in Gebieten anzusiedeln, in denen die jeweilige Population eine demographisch notwendige Mindestgröße von 100 Tieren erreichen kann. Wiederansiedlungen in der Tschernobyl-Sperrzone im weißrussisch-ukrainischen Grenzgebiet waren zunächst gescheitert, mittlerweile gibt es dort aber mehrere Herden. Ferner zeigt eine Herde im südlicheren Raum Tscherniwzi–Winnyzja einen stabilen Bestand von etwas unter 100 Tieren. Im Borkener Forst bei Olsztyn (dt. Allenstein in Ostpreußen) wurden 2011 80 freilebende Tiere gezählt. Die Vorfahren dieser Tiere stammen aus einer Nachzucht und entkamen schon vor längerem aus dem Gehege.

Ein Koordinierungsprogramm soll sicherstellen, dass in den bestehenden freien Populationen die genetische Vielfalt erhalten und nach Möglichkeit erhöht wird. Dazu sollen gegebenenfalls Wisente zwischen den einzelnen freien Populationen transferiert werden. Langfristiges Ziel ist es, dass es sowohl von der Flachlandlinie als auch der Flachland-Kaukasus-Linie jeweils 3000 wildlebende Tiere gibt. Pläne für die Auswilderung gibt es unter anderem für Deutschland und Frankreich, wobei erste Auswilderungen in Deutschland bereits stattgefunden haben.

2020 betrug der Bestand an freilebenden Wisenten in Europa 6.200 in 47 Herden, von denen nur acht groß genug sind, um selbstständig zu überleben. Die Mehrheit lebte in Osteuropa (Russland, Belarus und Polen).

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Coloring Pages

Referenzen

1. Wisent artikel auf Wikipedia - https://de.wikipedia.org/wiki/Wisent
2. Wisent auf der Website der Roten Liste der IUCN - https://www.iucnredlist.org/species/2814/9484719

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