Reh
Reich
Stamm
Unterstamm
Klasse
Ordnung
Unterordnung
Familie
Unterfamilie
Gattung
SPEZIES
Capreolus capreolus
Populationsgrösse
15,000,000
Lebensdauer
10-12 years
Höchstgeschwindigkeit
70
43
km/hmph
km/h mph 
Gewicht
15-35
33-77
kglbs
kg lbs 
Höhe
65-75
25.6-29.5
cminch
cm inch 
Länge
95-135
37.4-53.1
cminch
cm inch 

Das Reh (Capreolus capreolus), zur Unterscheidung vom Sibirischen Reh auch Europäisches Reh genannt, ist die in Europa häufigste und kleinste Art der Hirsche. Als Trughirsch ist es näher mit Ren, Elch und dem amerikanischen Weißwedelhirsch verwandt als mit dem in Mitteleuropa ebenfalls heimischen Rothirsch.

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Das Reh besiedelte ursprünglich Waldrandzonen und -lichtungen. Es hat sich aber erfolgreich eine Reihe sehr unterschiedlicher Habitate erschlossen und kommt mittlerweile auch in offener, fast deckungsloser Agrarsteppe vor. Aufgeschreckte Rehe suchen gewöhnlich mit wenigen, schnellen Sprüngen Schutz in Dickichten, es wird deswegen und aufgrund einiger morphologischer Merkmale dem sogenannten „Schlüpfertypus“ zugerechnet. Rehe sind Wiederkäuer und werden als Selektierer bezeichnet, da sie bevorzugt eiweißreiches Futter äsen. Während des Sommerhalbjahrs lebt das Reh überwiegend einzeln oder in kleinen Gruppen, bestehend aus einer Ricke und ihren Kitzen, im Winter bilden sich Sprünge, die meist mehr als drei oder vier Tiere umfassen. Rehe, die in der offenen Agrarlandschaft leben, bilden Sprünge von mehr als zwanzig Individuen.

Das Reh unterliegt dem Jagdrecht und wird dort dem Schalenwild und dem Niederwild zugeordnet. Die Jagdstrecke beträgt allein auf dem Gebiet Deutschlands jährlich mehr als eine Million Stück. In der landwirtschaftlichen Wildhaltung spielt es auf Grund seiner Verhaltensmerkmale keine Rolle.

Das Reh wurde durch die Deutsche Wildtier Stiftung als Tier des Jahres 2019 ausgewählt.

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Aussehen

Ausgewachsene Rehe haben eine Körperlänge von 93 bis 140 Zentimeter und erreichen eine Schulterhöhe zwischen 54 und 84 Zentimeter. Sie wiegen je nach Ernährungszustand zwischen 11 und 34 Kilogramm. Tendenziell steigt das Gewicht von Südwesten nach Nordosten, von tiefen in höhere Lagen und von wärmeren zu kälteren Klimata. So wiegen Ricken im Südwesten Spaniens durchschnittlich 17,1 und im Norden Spaniens 23,2 Kilogramm. In Norwegen erreichen Ricken dagegen ein durchschnittliches Gewicht von 28,8 Kilogramm. Einen ausgeprägten Sexualdimorphismus gibt es bezogen auf die Körpermaße nicht. Weibliche Rehe tragen kein Geweih.

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Auf Grund mehrerer Merkmale wird das Reh dem sogenannten „Schlüpfertypus“ zugerechnet. Anders als der Rothirsch, der bei Beunruhigung mit schnellem, ausdauerndem Lauf flüchtet und der dem Läufertypus zugeordnet wird, sucht das Reh bei Beunruhigung mit wenigen schnellen Sprüngen Deckung im Dickicht. Es hat eine leicht gekrümmte und nach vorn abfallende Wirbelsäule, wodurch die Kruppe höher liegt als der Widerrist. Das Geweih des Bocks ist verhältnismäßig klein. Die keilförmige Körperform ist dem lautlosen Durchwinden von dichter Vegetation angepasst. Die Beine sind im Verhältnis zum Rumpf zierlich und lang, die Hinterläufe sind im Sprunggelenk stark eingeknickt.

Der Kopf ist im Verhältnis zur Körperlänge kurz, im Profil wirkt er fast dreieckig. Die Ohren sind lang-oval und zugespitzt und entsprechen in ihrer Länge etwa zwei Dritteln der Kopflänge. Die Iris ist schwarzbraun mit einer quer gestellten Pupille. Der Hals ist schlank und länger als der Kopf. Das Haarkleid besteht aus Leithaaren, Grannenhaaren und Wollhaaren. Grannen- und Leithaare bilden die Deckhaare, darunter liegen die sehr dünnen und stark gekräuselten Wollhaare. Das Haarkleid ist im Sommer auf der Körperoberseite und den Außenseiten des Körpers glänzend, wobei die Färbung individuell von einem dunklen Braunrot bis zu einem Fahlgelb variieren kann. Die Innenseite der Läufe und der Unterbauch sind heller und gelblicher. Die Region um den After, der sogenannte Spiegel, hebt sich vom übrigen Fell ab und ist gewöhnlich von gelblich weißer Farbe. Böcke haben am Kinn und an jeder Seite der Oberlippe einen kleinen weißen Fleck, auch oberhalb der Nasenpartie ist häufig ein weißer Fleck ausgebildet. Die Ohren sind bei beiden Geschlechtern auf der Außenseite braungrau mit einem dunklen bis schwarzen Rand, innen ist das Ohr dagegen hellgrau bis weiß. Der Übergang vom Sommer- zum Winterhaarkleid erfolgt im September und Oktober. Er verläuft zunächst unauffällig, weil die roten Sommerhaare das wachsende graue Winterhaar lange optisch überdecken. Der für einen Beobachter erkennbare Haarwechsel verläuft dagegen sehr schnell und ist bei gesunden Rehen innerhalb einer Woche abgeschlossen. Im Winter variiert die Farbe des Haarkleides zwischen Hell- und Dunkelgrau. Auch im Winterhaarkleid ist die Körperunterseite heller als die Körperoberseite. Der Wechsel vom Winter- ins Sommerkleid erfolgt in Mitteleuropa im Zeitraum von März bis April. Die Sommerhaare sind zuerst am Kopf sichtbar, dann auf dem Widerrist. Im Winter ist das einzelne Haar hohl, was der besseren Isolierung durch Lufteinschluss dient.

Das Fell der Rehkitze ist rotbraun und weist zunächst eine weiße Punktierung auf dem Rücken und auf den Flanken auf. Diese weiße Fleckenzeichnung wird ab einem Alter von einem Monat allmählich undeutlicher und verschwindet bis zum Alter von zwei Monaten durch das Überwachsen durch rote Sommerhaare. Unter den langen roten Haaren sind die weißen und braunen Kitzhaare noch bis zum Wechsel in das Winterhaarkleid vorhanden.

Nur die Böcke tragen ein Geweih. In der Jägersprache wird das Geweih der Rehe auch als Gehörn, im süddeutsch-österreichischen Sprachraum auch als Krickl bezeichnet. Es besteht aus zwei runden bis ovalen Stangen, die bei Böcken in Mitteleuropa durchschnittlich eine Länge von 15 bis 20 Zentimeter erreichen. Im Normalfall weist jede Stange eines normal entwickelten, älteren Bockes drei Enden auf: Eine sogenannte Vordersprosse sowie das eigentliche Stangenende, auch Mittelsprosse genannt, und eine in der Höhe zwischen beiden liegende Hintersprosse. Die wichtigste biologische Funktion dieses Geweihes liegt im Ausfechten und Verteidigen der Rangordnung. Die mit Duftdrüsen versehenen Kolbenenden produzieren außerdem bis zum Fegen der Basthaut ein Sekret, das an der Vegetation abgestreift wird. Da das Geweih eine Überschussproduktion des Körpers ist, spielen bei seiner Entwicklung neben dem Alter der Böcke äußere Faktoren wie die Ernährung eine Rolle. Erst nach dem Abschluss der körperlichen Entwicklung des Bocks kann die Geweihentwicklung ihren Höhepunkt erreichen. In der Regel erreichen Geweihmasse und -volumen ihr Maximum bei fünfjährigen Böcken. Das Geweih kann dann bis zu 600 Gramm wiegen. Es gibt keine Hinweise darauf, dass Böcke mit stärkerem Geweih von den Ricken bevorzugt werden.

Bereits drei Monate alte Bockkitze entwickeln mit Beginn der Produktion des männlichen Geschlechtshormons Testosteron auf den Stirnbeinen Fortsätze, die Rosenstöcke genannt werden. Diese Stirnzapfen haben ohne Ernährungsmängel der Kitze im September/Oktober eine Länge von 30 Millimeter und einen Durchmesser von bis zu 10 Millimeter erreicht. Sie sind noch von Haut, nicht von Bast umgeben. Diese Haut wird im Zeitraum Dezember bis Januar abgescheuert, so dass die Spitzen dieses Erstlingsgeweihs freiliegen. Bereits kurz darauf erfolgt der Abwurf und die Bildung des Folgegeweihs setzt ein. Das Geweih einjähriger Böcke ist normalerweise als einfacher, unverzweigter Spieß ausgebildet. Seltener kommen bereits bei Einjährigen die für zwei- und mehrjährige Böcke typischen Stangen mit jeweils zwei beziehungsweise drei Sprossen vor. Böcke, die älter als fünf Jahre sind, sind zunehmend nicht mehr in der Lage, die für den Geweihaufbau notwendigen Aufbaustoffe vollständig abzugeben, da sie mehr Mineralien verbrauchen als sie aufnehmen. Dabei spielen die wegen der Abnutzung der Zähne zunehmend schlechtere Ernährung sowie möglicherweise auch eine nachlassende Funktionsfähigkeit des endokrinen Drüsensystems eine Rolle.

Bei Böcken, die mindestens das erste Lebensjahr abgeschlossen haben, fällt das Geweih jährlich in der Zeit von Oktober bis November ab und beginnt unter einer schützenden und nährenden Basthaut sofort neu zu wachsen. Die Wachstumsphase des Geweihs währt etwa 60 Tage und endet im Januar. Bei in Gattern gehaltenen Böcken hat man ein tägliches Geweihwachstum von etwa drei Millimetern festgestellt. Das energiezehrende Schieben eines Geweihs in der verhältnismäßig äsungsarmen Winterzeit ist bei Hirschen sehr selten und kommt nur noch beim Sibirischen Reh und beim ostasiatischen Davidshirsch vor.

Die Basthaut stirbt nach Abschluss der Geweihbildung ab und wird vom Bock durch Fegen an Büschen und jungen Bäumen von der verbleibenden Knochenmasse entfernt. Böcke, die mindestens zwei Jahre alt sind, fegen in Mitteleuropa ihre Geweihe während der zweiten Märzhälfte und damit noch bevor sie in das Sommerkleid wechseln. Einjährige Böcke fegen dagegen ihr Geweih sieben bis acht Wochen später, wenn sie bereits das Sommerkleid tragen. Frisch gefegte Geweihe sind weiß oder vom anhaftenden Blut leicht gerötet. Durch das Fegen an Bäumen und Sträuchern dringen Rinden- und Pflanzensäfte in die Poren der Stangen ein, dadurch erhält das Geweih seine Farbe. Böcke, die ihr Geweih an Erlen und Nadelhölzern fegen, haben tendenziell sehr dunkle Geweihe, bei den sogenannten Feldrehen, denen auf Grund ihres Lebensraumes wenig Bäume zum Fegen zur Verfügung stehen, sind hellgraue Stangen typisch. Das Fegen des Geweihs schadet den Bäumen: Böcke nutzen dafür bevorzugt alleinstehende Stämmchen und Randpflanzen, die Fegefreudigkeit der einzelnen Böcke ist individuell verschieden. Einzelne Böcke fegen nur an wenigen Stämmchen, während andere in Kulturen hunderte von Pflanzen massiv schädigen. Fegeschäden gelten als kaum vermeidbar, es hilft nur das Einzäunen von aufgeforsteten Kulturen oder ein Einzelschutz von Bäumen beispielsweise durch Ummanteln der Stämme mit Maschendraht. Im Vergleich mit den Verbissschäden, die Rehe in Wäldern anrichten können, sind die Fegeschäden jedoch gering.

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Verteilung

Erdkunde

Das Europäische Reh kommt in fast ganz Europa sowie in Teilen Kleinasiens vor. Auf der Iberischen Halbinsel ist das Verbreitungsgebiet lückenhaft und auf Grund der klimatischen Gegebenheiten überwiegend auf Gebirge begrenzt. Rehe kommen unter anderem in den Pyrenäen, dem Kantabrischen und dem Iberischen Gebirge, den Montes de Toledo und in der Provinz Cádiz sowie in der Region um Málaga vor. Letztere gehört zu den südlichsten Verbreitungsgebieten des Rehs. Die südliche Verbreitungsgrenze verläuft weiter über der Südspitze Italiens, das Reh kommt nicht auf Sizilien und den übrigen westlichen Mittelmeerinseln vor. Auf dem Peloponnes ist das Reh zu Beginn des 20. Jahrhunderts ausgerottet worden, es ist aber noch am Olymp, auf der Chalkidike und einigen griechischen Inseln verbreitet. Zum Verbreitungsgebiet gehört außerdem der Norden Syriens, der Nordirak, Israel bis zum See Genezareth und Haifa sowie der Iran. Die Ostgrenze verläuft über Bulgarien und Rumänien, wo Rehe jeweils im gesamten Landesgebiet vorkommen, in nördlicher Richtung über Kropywnyzkyj, Dnipro, Borissoglebsk, Woronesch, Orjol, dem Westen Moskaus, dem Wolga-Stausee, dem Rybinsker Stausee, dem Westufer des Ladogasees entlang der Ostgrenze Finnlands. In Skandinavien liegt die nördliche Verbreitungsgrenze an der atlantischen Küste etwa am 65. Breitengrad, von den Ostseegebieten Schwedens zieht sich dann das Verbreitungsgebiet in einem schmalen Streifen östlich des Skandinavischen Gebirges bis hin zum Polarkreis. Auf Irland leben keine Rehe, dagegen ist das Reh in Schottland und Teilen Englands weit verbreitet. Außerhalb seines natürlichen Verbreitungsgebietes ist das Reh bisher nur in Texas eingebürgert worden. Dort hat eine Arealvergrößerung bislang nicht stattgefunden.

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In der Waldlandschaft Europas besiedelte das Reh Waldlichtungen, Waldrandzonen sowie andere, unterwuchsreiche und baumarme Lebensräume wie Auen, Deltas und Riede, die nicht in Waldlandschaften übergehen. Die heute von Agrarflächen durchzogenen oder umgebenen Waldgebiete bieten dem Reh deutlich mehr Lebensraum. Die Bestandsdichte liegt hier 10 bis 20-mal höher als in Waldgebieten, deren Baumbestand eine natürliche Altersstruktur aufweist. Optimale Rehhabitate bestehen aus einem engmaschigen Mosaik von forstlich und landwirtschaftlichen genutzten Flächen und weisen Dickungen, Althölzer, Wiesen sowie mit Sträuchern und Kräutern bewachsene Schneisen und Wegränder auf.

Die Höhenverbreitung reicht von der Tiefebene bis in alpine Höhenlagen von 3.000 Metern. Allerdings ist es in hochalpinen Regionen oberhalb der Baumgrenze und in offenem Grasland selten. Regionen mit strengen Wintern und hohen, lang andauernden Schneelagen sind für Rehe wenig geeignet, da sie sich in hohem Schnee nur schlecht fortbewegen und an Nahrung gelangen können. Rehe überwintern in solchen Regionen auf zum Teil verhältnismäßig kleinräumigen Stellen, an denen sich auf Grund topographischer Merkmale weniger Schnee ansammelt. Rehe sind außerdem erfolgreiche Kulturfolger, die auch vom Menschen stark überformte Lebensräume besiedeln. Auf Grund ihrer verhältnismäßig geringen Größe genügen ihnen bereits kleine Waldreste oder Hecken als Deckung. Entsprechend besiedeln Rehe auch die offene Agrarsteppe. Es wird zwischen den Ökotypen Waldreh und Feldreh unterschieden. Während das Waldreh nach wie vor waldnahe Habitate besiedelt, ist das Feldreh in der deckungsarmen offenen Agrarlandschaft zuhause und hat seine Ernährung überwiegend auf Feldfrüchte umgestellt. Feldrehe kehren jedoch in die für sie optimale Waldrandzone zurück und ändern ihre Ernährungs- und Verhaltensweise, wenn die Rehbestandsdichte in diesen Zonen zurückgeht.

In Regionen mit hohem Damwild-, Sikahirsch- oder Rothirschbestand sind Rehe tendenziell seltener. Es liegen noch keine exakten Untersuchungen zum interspezifischen Verhalten von Rehen zu anderen Tierarten vor, doch verlassen Rehe bei sich näherndem Damwild die Äsungsflächen. Noch mehr Distanz halten Rehe zu Rotwild, auch hier scheint das Brunftverhalten von Rothirschen Rehe zu stark zu beunruhigen. In mehreren Regionen konnte ein Anstieg der Rehwildbestände nachgewiesen werden, wenn der Bestand an Rothirschen zurückging. Auch Sikahirsche verdrängen Rehe. Gegenüber Wildschweinen ist das Verhalten der Rehe unterschiedlich. Dort, wo Wildschweine häufig sind und auch am Tage ihre Einstände verlassen, suchen beide Arten gelegentlich auf denselben Flächen nach Nahrung. Dagegen reagieren Rehe in der Dämmerung und bei Dunkelheit auf Wildschweine mit einem sichernden Verhalten.

Grundsätzlich sind Rehe bestrebt, in dem Lebensraum zu bleiben, in dem sie geboren wurden. Ab einer gewissen Bestandsdichte ist dies jedoch nicht mehr möglich. Entscheidend ist dabei die biotisch tragbare Wilddichte, d. h. die Bestandsdichte, bei der Körper-, Geweih- und Gewichtsentwicklung von Rehen den genetisch und umweltbedingten Möglichkeiten entspricht. Sie liegt gewöhnlich deutlich unter der Äsungskapazität eines Gebietes. Wird die biotisch tragbare Wilddichte überschritten, reagieren Rehe auf Grund des damit verbundenen Stresses mit Gewichtsverlust und Minderung ihrer Krankheitsresistenz, eine Ausdehnung der Population in bislang rehwildfreie Räume setzt ein. Wo neuer Lebensraum nicht mehr zur Verfügung steht, setzt eine höhere Kitzsterblichkeit, geringere Befruchtungsrate und ein zugunsten der Männchen verschobenes Kitz-Geschlechtsverhältnis ein.

Die Besiedlung neuer Regionen durch Rehe ist im Verlauf des 20. Jahrhunderts unter anderem auf dem Gebiet der Karstregion um Triest, auf neu entstandenen Poldern in den Niederlanden, der Insel Fehmarn sowie großflächigen Landwirtschaftsgebieten im ungarischen Theißgebiet genauer beobachtet und beschrieben worden. Als erstes erschließen sich konstitutionell starke ein- bis zweijährige Böcke einen neuen Lebensraum, weil sie weiter abwandern als dies bei gleichaltrigen Weibchen der Fall ist. Im neuen, konkurrenzarmen Gebiet können sich diese Böcke konditionell sehr stark entwickeln. Wenn sie im Winter auf der Suche nach Äsung ihren Aktionsraum vergrößern, begegnen sie im Randgebiet der festetablierten Population auch anderen Rehsprüngen. Aus diesen Sprüngen folgen ihnen am Winterende einjährige Ricken nach. Drei bis fünf Jahre nach der Erstbesiedelung wächst im neu besiedelten Bereich der Rehbestand stark an, weil die jungen, auf Grund des Äsungsangebotes konditionsstarken Weibchen viele Jungtiere großziehen. Die hier geborenen, konditionell starken jungen Böcke wandern ebenfalls in die Regionen ab, die weniger dicht oder noch nicht besiedelt sind. Abwanderungen über mehr als zwanzig Kilometer sind die Ausnahme, im Durchschnitt wandern die Rehe nicht weiter als ungefähr zwei Kilometer.

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Reh Lebensraum-Karte
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Gewohnheiten und Lebensstil

Rehe halten sich innerhalb eines bestimmten, definierbaren Aktionsraums auf. Adulte Tiere sind dabei sehr standorttreu. Die Grenzen des Aktionsraums eines einzelnen Tieres oder eines Sprunges orientieren sich an bestehenden topographischen Linien wie beispielsweise Feldrändern, Böschungen, Wegen, Straßen und Hecken. Die Größe der Fläche schwankt nach Jahreszeit, Biotop, Äsungsangebot, Alter und Geschlecht der Tiere. In der Regel sind die Aktionsräume im Sommer kleiner als in den übrigen Jahreszeiten. Im Sommer leben Rehe einzeln, da sie als Selektierer in direkter Nahrungskonkurrenz zueinander stehen.

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Innerhalb ihres Aktionsraumes bevorzugen Rehe solche Ruhezonen, die ihnen einen optimalen Überblick über die Umgebung erlauben. So finden sich Ruheplätze häufig an Hügelkuppenrändern oder Hangterrassen. Erhöhte Liegeplätze haben akustische Vorteile, da hier die Hörweite erhöht ist und sie sind stärker bewindet, so dass Rehe potentielle Störer auch schneller riechen. Da sie stärker dem Wind ausgesetzt sind, sind erhöhte Liegeplätze insbesondere bei warmem Wetter kühler. Gleichzeitig können Rehe auch optisch auf größere Distanz Feinde erkennen und sich durch kurze Fluchten einer Begegnung entziehen. In der Nähe von Straßen wird der Lagerplatz hingegen so gewählt, dass ein Sichtkontakt durch Ducken oder langsamen Rückzug gemieden werden kann.

Adulte Böcke besetzen in der Regel echte Territorien, die durch Sicht- und Duftmarkierungen abgegrenzt und zeitweilig gegen andere Böcke unduldsam verteidigt werden. Die Territorien überschneiden sich, wenn überhaupt, lediglich an ihren Grenzen. Sie werden häufig über mehrere, aufeinanderfolgende Jahre besetzt. Veränderungen der Vegetation beispielsweise auf Grund von Rodungen, Anpflanzungen oder Wechsel der landwirtschaftlichen Anbaumethoden führen in der Regel nicht dazu, dass ein einmal etablierter Bock seine Reviergrenzen verschiebt oder sein Revier aufgibt. Grundsätzlich besetzen in Gebieten mit einer geringen Rehdichte, wo etwa zwei bis vier Böcke auf 100 Hektar vorkommen, alle mehrjährigen Böcke ein Territorium. Mit dichter werdendem Bestand ist das Alter territorialer Böcke tendenziell höher, die Anzahl nichtterritorialer Böcke nimmt zu und die Größe von Bockterritorien nimmt gleichzeitig ab. Bei der Etablierung von Territorien spielen Alter, Kampftrieb und Erfahrung, aber auch Zufall eine Rolle. Geweihvolumen oder Geweihendzahl sind dagegen ohne Bedeutung.

In Schottland betrug die Reviergröße in Regionen mit geringem Rehbestand bis zu 35 Hektar, in einem den Lebensraumansprüchen von Rehen sehr stark entsprechendem Waldgebiet im Norden Englands dagegen im Mittel nur 7,4 Hektar. Eine Größe von unter fünf Hektar scheint auch bei einer reichhaltigen Zufütterung nicht unterschritten zu werden. Rehböcke sind allerdings nicht überall territorial: Das gilt für Regionen mit einer sehr geringen Bestandsdichte an Rehen oder wenn zu viele Konkurrenten da sind, beispielsweise wenn sie in Gattern gehalten werden. Auch in hochalpinen Lebensräumen, wo sich die Aktionsräume vom Frühjahr bis in den Sommer bergwärts verschieben, gibt es eine nur angedeutete Territorialität der Böcke.

Junge, nichtterritoriale Böcke durchstreifen entweder die Territorien mehrerer adulter Böcke, halten sich in der Randzone zwischen zwei Territorien auf oder werden zu sogenannten „Satelliten-Böcken“, die auf Grund ihres nicht-aggressiven Verhaltens vom territorialen Bock in seinem Revier geduldet werden.

Ricken leben nicht territorial in dem Sinne, dass sie über längere Zeit ein Revier durch Markierung abgrenzen und ihre Artgenossen daraus vertreiben. Auf Grund der langen Prägungsphase der Kitze sind Ricken jedoch darauf angewiesen, während der ersten Wochen nach der Geburt des Nachwuchses einzelgängerisch einen kleinen Aktionsraum zu besetzen. Durch Drohen, Imponieren und Verjagen werden diese kleinen Aktionsräume gegen andere Ricken verteidigt. Ricken passen ihre sogenannten Setzplätze an die jeweiligen Gegebenheiten an. Im Idealfall treffen an ihrem Setzplatz auf möglichst kleiner Fläche ein großes, leichtverdauliches und energiereiches Äsungsangebot, ausreichende Deckung sowie ein trockenes und warmes Mikroklima aufeinander. Solche Flächen können in den ersten Tagen nach dem Setzen weniger als ein Hektar groß sein, Ricken dehnen danach die von ihnen genutzte Aufzuchtzone sukzessive aus.

Schmalrehe wandern zwar gelegentlich ab, sie halten sich aber häufig im Nahbereich des mütterlichen Sommergebietes auf und schließen sich im Herbst wieder dem Muttertier und deren Kitzen an. Sie verbleiben häufig auch dann noch im Randbereich des Aktivitätsraums des Muttertiers, wenn sie selbst Kitze führen. Verwandte Ricken bewohnen daher ein Sippenrevier, das sich mit anderen Sippenrevieren nur wenig überschneidet. Diese Rickensippen bestehen aus zwei bis vier führenden Ricken mit den dazugehörigen Kitzen, Böcken und Schmalrehen. In der Regel bilden Ricken nur mit Angehörigen der gleichen Sippe gemeinsame Sprünge. Schmalrehen gelingt nur selten der Anschluss an eine fremde Sippe. Dort wo man ihn beobachtet hat, fand er statt, weil sich das Schmalreh dem territorialen Bock angeschlossen hatte.

Das Reh gilt als ein ursprünglich tagaktives Tier, das während 24 Stunden zwischen acht und elf Äsungsperioden benötigt. Der Tagesablauf von Rehen ist entsprechend von Futtersuche, Äse und Wiederkäuen dominiert. Im Frühjahr und im Sommer verbringen Rehe je sechs Stunden pro Tag mit Äsen und Wiederkäuen. Weitere sechs Stunden ruhen sie, vier Stunden schlafen sie und zwei Stunden pro Tag wenden sie darauf auf, ihren Standort zu wechseln. Im Herbst und Winter wenden sie je eine Stunde mehr für Äsen und Wiederkäuen auf, sie ruhen in dieser Zeit weniger, schlafen nur drei Stunden und ziehen drei Stunden in ihrem Revier umher.

Der hohe Anteil an Futtersuche, Äsen und Wiederkäuen im Tagesablauf des Rehes ist auf den niedrigen Nährwert der Nahrung zurückzuführen. Ein einzelner Äsungszyklus – Aufsuchen der Äsungsstelle, Fressen und Wiederkäuen – dauert durchschnittlich etwa zwei Stunden. In waldreichen Gebieten des nördlichen Schweizer Mittellandes fielen die Höhepunkte der einzelnen Äsungszyklen auf 5:30 h, 9:00 h, 10:30 h, 12:00 h, 13:45 h, 15:00 h, 18:00 h, 21:00 h, 23:30 h, 1:00 h und 3:00 h. Die Äsungszyklen verschieben sich bei Störungen, es steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Rehe durch Äsen an Bäumen Wildschäden im Wald verursachen, da sie dann seltener auf freie Flächen hinaustreten, sondern an Bäumen äsen. Rehe, die während des Tages häufig durch Menschen beunruhigt werden, werden außerdem zunehmend nachtaktiver. Rehe nutzen vor allem mondhelle Nächte. Nach solchen Nächten sind tagsüber deutlich weniger Rehe äsend zu sehen. Neben Störungen durch Menschen bewirken auch hohe Schneedecken, Regenwetter oder starker Wind, dass Rehe auf Äsungszyklen verzichten.

Ein Reh, das sich zum Ruhen niederlassen will, scharrt mit den Vorderläufen zunächst ein Lager. Dann lässt es sich auf die Vorderfußwurzeln nieder, setzt sich auf den rechten oder linken Oberschenkel und schlägt die Vorderläufe um. Es liegt immer nur ein Vorder- oder Hinterlauf einer Seite unter dem Körper. In dieser Körperhaltung käut das Reh wieder, döst oder schläft. Beim Dösen bleibt der Kopf hoch erhoben, gelegentlich käuen sie im Dösen sogar wieder. Fester Schlaf ist auf wenige kurze Perioden im Tagesrhythmus beschränkt, die unregelmäßig eintreten. Die Augen sind dann geschlossen, der Kopf liegt entweder auf dem Boden oder auf der Flanke zwischen Rumpf und Hinterläufen. Während des Schlafes werden Gerüche oder leise Geräusche nicht wahrgenommen. Nach dem Ruhen oder Schlafen aufstehende Rehe strecken sich zunächst, flehmen dabei gelegentlich und kratzen sich mit den Schalen des Hinterlaufs. Sie belecken sich und wechseln dann zum Äsungsplatz. Anders als der Rothirsch suhlt das Reh nicht.

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Saisonales Verhalten

Fressverhalten und Ernährung

Rehe sind Wiederkäuer, allerdings haben sie gemessen an ihrer Körpergröße einen verhältnismäßig kleinen Pansen mit geringem Füllungsgrad. Sie verfügen außerdem nur über zwei statt der für Wiederkäuer so charakteristischen drei Blindsäcke. Dafür ist aber die Pansenschleimhaut dichter mit Pansenzotten besetzt als dies bei vielen anderen wiederkäuenden Huftieren der Fall ist. Dies vergrößert die Gesamtoberfläche des Pansens und damit die dem Blutkreislauf pro Zeiteinheit zugeführte Stoffmenge. Rehe werden als „Selektierer“ bezeichnet, da sie ausschließlich leicht verdauliche Nahrung bevorzugen. In der Schweiz sind besonderes weitgehende Studien zum Äsungsverhalten von Rehen vorgenommen worden. Dort konnten fünf Äsungsperioden unterschieden werden:

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  • Gräser und Knospen von Mitte März bis Ende April
  • Laubtriebe und einkeimblättrige Kräuter von Anfang Mai bis Ende Juni
  • Zweikeimblättrige Kräuter und Laubtriebe von Mitte Juni bis Mitte Oktober. In dieser Zeit ist die Zahl der als Äsungspflanzen generell in Frage kommenden Arten am größten und umfasst rund 134 verschiedene Arten.
  • Schachtelhalme, Farne und Bärlappgewächse sowie Knospen und Brombeeren von Mitte Oktober bis Mitte Dezember
  • Gräser, Knospen und Brombeeren von Anfang Januar bis Mitte März.

Beäst werden die Pflanzen vom Erdboden bis in eine Höhe von 120 Zentimeter. Bevorzugt fressen Rehe jedoch die Pflanzenteile, die etwa 75 Zentimeter über dem Boden stehen. Ein etwa 20 Kilogramm schweres Reh braucht zwischen zwei und vier Kilogramm Grünmasse für die Deckung seines täglichen Energiebedarfs. Bei natürlicher Futterzusammensetzung benötigt ein Reh außerdem etwa 1350 Milliliter Wasser je 10 Kilogramm Lebendgewicht. In der Regel enthält die natürliche Nahrung so viel Feuchtigkeit, dass es nicht zusätzlich trinken muss. Bei zunehmender Trockenheit sind Rehe jedoch regelmäßig an Wasserstellen zu beobachten.

Der Stoffwechsel von Rehen ist insbesondere an Rehböcken untersucht worden. Dabei ließen sich zwei Perioden im Jahr feststellen, in denen die Rehböcke besonders stark zunehmen. Diese Feistzeiten fallen in Mitteleuropa in den Zeitraum März bis Juli sowie von Anfang September bis Anfang November. Rehböcke nehmen in dieser Zeit bis zu 20 Prozent des Ausgangsgewichtes zu. Die im Frühjahr aufgebauten Reserven werden während der Brunft im Juli und August wieder abgebaut. Die im Herbst angelegten Reserven dienen der Überbrückung des Energiedefizits im Winter. Bei säugenden Ricken und den heranwachsenden Kitzen ist der Eiweißbedarf vor allem im Sommer sehr hoch. Säugende Ricken steigern ihre Energieaufnahme im Vergleich zu nicht säugenden Ricken auf bis zu 150 Prozent.

Rehe erkennen ihnen bekannte Pflanzen an Geruch und Geschmack, neue Nahrungspflanzen erschließen sie sich in der Regel nur allmählich. In Versuchsreihen hat man festgestellt, dass bei ausreichendem Ernährungszustand der Rehe zwischen der Aufnahme von zwei verschiedenen neuen Äspflanzen mindestens eine Wiederkäuperiode liegt. Ein möglicherweise auftretendes Unwohlsein wird mit der Äspflanze assoziiert und diese dann gemieden. Gewöhnlich imitiert ein Kitz das Muttertier in seinem Fressverhalten, Muttertiere griffen in Versuchsreihen Kitze sogar an, wenn diese etwas äsen wollten, was die Muttertiere nicht kannten.

Die Zusammensetzung der Nahrung eines Rehs ist abhängig vom Angebot und dem individuellen Geschmack, generell ist sie jedoch immer sehr vielfältig. Zu den Pflanzen, die Rehe besonders häufig fressen, gehören Heidelbeere, Großes Hexenkraut, Wald-Ziest, Gemeiner Hohlzahn, Efeu, Hainbuche, Besenheide, Roter Hartriegel, Gewöhnlicher Liguster und Gemeine Hasel. Untersuchungen zeigen aber, dass Rehe nicht überall die gleichen Pflanzen mit gleicher Vorliebe äsen. So fressen beispielsweise Rehe auf der Schwäbischen Alb sehr gerne Walderdbeeren, im Schweizer Mittelland dagegen weniger häufig. Sowohl auf der Schwäbischen Alb als auch im Schweizer Mittelland wird der Türkenbund so stark von Rehen verbissen, dass er dort nur selten blüht. Dagegen wird er auf den Muschelkalkböden westlich des Leinetals bei Göttingen wenig verbissen. Der Faulbaum wird in der Region um Krakau sehr stark von Rehen verbissen, in Deutschland gilt diese Baumart dagegen als verbissfest. Die meisten der von Rehen geschätzten Äspflanzen sind stickstoffanzeigende und damit besonders eiweißreiche Pflanzen. Es gibt aber Ausnahmen wie beispielsweise den Stinkenden Storchschnabel, der arm an Nährstoffen ist und dessen Mineralstoffe in einem ungünstigen Verhältnis vorhanden sind. Diese stark duftende Pflanze wird jedoch überall, wo sie wächst, von Rehen stark verbissen, was ein Indiz ist, dass Duft- und Geschmacksstoffe den Verbissgrad wesentlich mitbestimmen. Gerbstoffreiche Pflanzen wie Walnuss, Blutwurz oder Fünffingerkraut oder mit Haaren gegen Verbiss geschützte Pflanzen wie Königskerze oder Große Brennnessel sowie besonders giftige Pflanzen wie Maiglöckchen, Seidelbast, Tollkirsche oder Roter Fingerhut werden vom Reh gemieden.

Rehe äsen auch auf landwirtschaftlichen Nutzflächen. Raps gehört zu den Nutzpflanzen, die besonders stark verbissen werden und spielt in intensiv genutzten Agrarlandschaften vor allem im Frühjahr eine große Rolle in der Ernährung der Rehe. Gerste wird dagegen nur als junge Pflanze geäst, während die kurzgrannigen Weizen- und Hafersorten eine bevorzugte Äsungspflanze im Hochsommer sind. Daneben können durch Lagerstellen im Getreide Schäden entstehen. Generell wird jedoch davon ausgegangen, dass ein dem Lebensraum- und Äsungsbedingungen angemessener Rehwildbestand keine nennenswerten Wildschäden im Felde anrichten. Anders ist es mit Waldschäden durch Reh-Verbiss.

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Paarungsgewohnheiten

PAARUNGSVERHALTEN

Zu kämpferischen Auseinandersetzungen zwischen Böcken kann es das ganze Jahr über kommen. Nach der Brunft und im Winterhalbjahr begrenzen sich die Kampfhandlungen gewöhnlich auf Drohen, Imponieren und Verjagen. Besonders intensiv sind die Kämpfe im Mai, wenn das Imponier- und Drohverhalten über Minuten dauert und Jagden über mehrere hundert Meter erfolgen. Böcke nehmen sich in der Regel auf eine Distanz von 30 bis 300 Meter wahr und reagieren darauf zunächst mit Sichern, dabei ist das Haupt erhoben, die Ohren nach vorne geöffnet und häufig auch ein Vorderlauf angewinkelt. Die beiden Böcke nähern sich dann auf fünf bis zehn Meter und drohen und imponieren dann erneut. Der Hals ragt beim Imponieren senkrecht nach oben, der Kopf ist zur Seite gewendet und die Ohren sind nach hinten gelegt. Beim Drohen dagegen grätscht der Bock die Beine, senkt den Kopf und stößt mit dem Geweih in Richtung seines Rivalen. Dies ist häufig von einem Scharren mit einem der Vorderläufe begleitet (sogenanntes Plätzen). Zum Drohen gehört auch ein heftiges Schlagen auf den Boden mit einem der Hinterläufe. Gleich starke Böcke jagen dann unvermittelt über eine Strecke von 20 bis 80 Meter nebeneinanderher und beginnen dann erneut mit Drohen und Imponieren.

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Vor dem eigentlichen Kampf schreiten die Böcke im Stechschritt aufeinander zu, dabei schlagen sie erneut mit den Hinterbeinen auf den Boden. Sobald die beiden Gegner unmittelbar frontal gegenüberstehen, senken sie gleichzeitig die Köpfe und der eigentliche Stoßkampf beginnt. Es handelt sich bei der Kampfhandlung nicht um einen Beschädigungskampf, sondern um einen Kommentkampf, der nach ritualisierten Verhaltenssequenzen abläuft. Bei gleich starken Gegnern kommt es häufig zu einem kreisförmigen Drehen. Der stärkere Bock ist häufig erst nach mehreren Anläufen ermittelt; auf das Drohen des stärkeren Bocks verharrt der Verlierer kurz in Demutsstellung, dabei ist der Hals waagrecht gehalten und die Ohren nach vorne gewendet. Danach flüchtet er.

Tödliche Kampfausgänge kommen gelegentlich vor. Es gibt Rehböcke, die sich atypisch verhalten und ihren Gegner von der Seite angreifen (sogenanntes Forkeln). Gelegentlich unterscheiden sich die Geweihe der beiden kämpfenden Böcke so stark, dass sie sich nicht miteinander verhängen, sondern direkt auf die Stirn des Gegners auftreffen. Beim Zustoßen kann dann die Schädeldecke durchdrungen werden.

Die eigentliche Brunft findet in Mitteleuropa etwa von Anfang Juli bis ins zweite Drittel des August statt, sie beginnt nach milden Wintern tendenziell früher als nach langen und kalten. Die letzten Wochen der Brunftzeit werden auch als Blattzeit bezeichnet, weil dann die meisten Ricken gedeckt sind und sich Böcke von Jägern durch „Blatten“, das Nachahmen des Fiepens brunftiger Ricken, anlocken lassen. Die Brunftzeit der Ricken ist im Gegensatz zu den Männchen kurz und dauert nur jeweils etwa vier Tage. Generell sind ältere und konditionell starke Ricken früher als junge und schwach veranlagte Ricken paarungsbereit. Bei älteren Ricken beginnt der Brunftzeitraum etwa 67 Tage nach der Geburt ihres Kitzes.

Rehböcke werden durch Geruchswahrnehmung auf paarungsbereite Ricken aufmerksam und folgen gewöhnlich bis in die unmittelbare Nähe ihrer Spur. Eine Ricke reagiert auf einen sich nähernden Bock gewöhnlich mit einer Flucht von durchschnittlich 500 Metern, der Bock folgt ihr dabei. In der Vorbrunft kann dieses sogenannte Treiben über Stunden und sogar Tage gehen. Erst wenn die Ricke empfangsbereit ist, bleibt sie bei einem solchen Treiben plötzlich abrupt stehen. Der aufschließende Bock beriecht und beleckt darauf die Ricke. Mit gesenktem Kopf frontal oder lateral vor dem Bock stehend fordert die Ricke ihn dann zur Paarung auf, läuft dabei langsam weiter, wobei der Bock ihr mit langgestrecktem Hals und Kopf folgt. Der Bock imponiert erneut und reitet dann zur Paarung auf. Ricken in einer körperlich nicht guten Verfassung unterbrechen häufig das Brunftvorspiel, indem sie sich nur über eine kurze Distanz verfolgen lassen und sich dann niederlegen. Auch der Bock bricht gelegentlich das Brunftvorspiel ab, wenn die Ricke nicht alle zum Paarungsverhalten gehörenden Verhaltenssequenzen zeigt.

Böcke verlieren in der Brunft auf Grund des heftigen Treibens der Ricke und der häufig langen Suche nach brunftigen Ricken erheblich an Körpergewicht. Generell verpaaren sie sich nur mit sehr wenigen Ricken, meist bleiben sie während der vier Tage, die die Brunft einer Ricke dauert, in ihrer Nähe. Nur in Gebieten, in denen es an Böcken mangelt, werden mehrere Ricken von einem Bock abwechselnd getrieben und beschlagen.

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POPULATION

Populationsgefährdung

Ein besonders früher Wintereinbruch und ein harter Winter führen in allen Altersklassen zu direkten Verlusten, sie führen aber auch zum Absterben und zur Resorption der Embryonen. Vorwiegend fallen junge und überalterte Rehe starken Frostperioden zum Opfer. Generell gibt es eine deutliche Abhängigkeit zwischen Bestandsdichte, winterlichem Nahrungsangebot, Parasitenbefall und der Zahl verendeter Rehe. Dabei spielt eine Rolle, dass hungernde Rehe anfälliger auf Parasitenbefall reagieren.

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Schlechtwetterperioden gelten als einer der wesentlichen Mortalitätsgründe von Jungtieren. Bei Nässe und Kälte verbrauchen sie innerhalb sehr kurzer Zeit ihren Fettvorrat und laufen Gefahr, an Unterkühlung einzugehen. Grundsätzlich gehen daher in feuchten Jahren mehr Kitze ein als in sonnenreichen. Der Einfluss des Klimas lässt sich auch an Vergleichen zwischen dem Oberaargau und dem Oberengadin messen. Im klimatisch begünstigten Oberaargau führen Ricken im Herbst meistens ein oder zwei Kitze, im inneralpinen Hochtal des Oberengadins ist dagegen nur noch jede zweite Ricke von einem Kitz begleitet.

Die Bestandsdichte hat gleichfalls eine Auswirkung auf die Mortalitätsrate. Bereits die durchschnittliche Embryonenzahl je Ricke nimmt bei hohem Rehbestand ab. Wenn Ricken außerdem auf Grund einer hohen Bestandsdichte gezwungen sind, auf weniger günstige Setz- und Aufzuchtgebiete auszuweichen, stirbt eine deutlich höhere Zahl an Jungtieren. Untersuchungen des Wildbiologen Felix Kurt im Berner Mittelland haben gezeigt, dass in einem spezifischen Gebiet bei geringer Weibchendichte die Ricken im Herbst durchschnittlich 1,3 Kitze führten. Bei hoher Dichte sind es dagegen nur noch 0,5 Kitze. Die Konkurrenz um geeignete Aktionsräume der weiblichen Tiere führt außerdem zu einer Verschiebung des Geschlechterverhältnisses beim Nachwuchs. Bei geringer Dichte gibt es etwa gleich viele männliche wie weibliche Kitze. In ungünstigen Aufzuchtgebieten werden dagegen doppelt so viele Bockkitze wie Rickenkitze angetroffen. Dies beruht unter anderem darauf, dass in den ersten Lebenswochen Bockkitze wegen ihres höheren Geburtsgewichts eine höhere Überlebenschance haben.

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Populationszahl

In der europäischen Kulturlandschaft ist das Reh heute eine ausgesprochen häufige Art, die in einigen Regionen eine so hohe Bestandsdichte hat, dass Rehe die natürliche Waldverjüngung verhindern. Zu den hohen Bestandszahlen kam es erst im Verlauf des 20. Jahrhunderts, sie lassen sich im gesamten Verbreitungsgebiet feststellen.

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Genaue Bestandszahlen aus früheren Jahrhunderten liegen nicht vor. Es gibt aber zahlreiche Indikatoren, dass Rehbestände früher sehr niedrig waren. Auf Grund der Funde weiß man, dass in der Mittelsteinzeit Rehe im Vergleich zu Wildpferd, Ren, Rotwild und Wisent eine seltene Jagdbeute darstellten. Auch in der Jungsteinzeit überwiegen Hirsche als Beute bei weitem. In Ausgrabungen bei Pfahlbausiedlungen im Zürcher Raum, die sich auf das Ende der Bronzezeit datieren lassen, findet sich selbst so wehrhafte Beute wie das Ur und der Bär um ein Vielfaches häufiger als das Reh. Aus der Anzahl von Knochenfunden lässt sich zwar nicht eindeutig auf die Höhe des Wildbestandes schließen, aber wenn eine Bevölkerung so verhältnismäßig schwer zu erjagende Tiere wie Steinböcke, Gämsen, Wildenten, Habichte und Steinadler zu ihrer Beute zählt, das Reh dagegen nur spärlich vertreten ist, lässt sich daraus schließen, dass es nur verhältnismäßig selten vorkam. Auch in Jagdberichten der frühen Neuzeit wie beispielsweise den Jagdtagebüchern von Kaiser Karl VI. wird das Reh nur selten genannt. Um 1809 herum war das Reh in der Schweiz sogar fast ausgestorben. Erst im Verlauf des 19. Jahrhunderts weisen Jagdstatistiken auf eine wachsende Rehpopulation hin. Nach solchen Statistiken lebten beispielsweise in Österreich um das Jahr 1860 drei bis fünf Rehe je 100 Hektar, um 1910 fünf bis acht und um 1970 zehn bis fünfzehn. Besonders spektakulär war die Erholung der Rehpopulation in Skandinavien. Um 1700 war es in Skandinavien noch weit verbreitet, gegen Ende des 18. und 19. Jahrhunderts wurden die Bestände durch sehr kalte Winter, viele Wölfe und eine intensive Bejagung stark reduziert. Um 1830 gab es nur noch eine etwa 100 Individuen betragende Restpopulation in Schonen, der südlichsten schwedischen Provinz. Strenge Schutzmaßnahmen und Schonzeiten führten dazu, dass ausgehend von dieser Restpopulation heute der größte Teil Norwegens und Schwedens sowie ein Teil Finnlands wieder bevölkert ist.

Der Beginn des starken Anstiegs der Rehbestände fällt mit dem Rückgang der Rothirschbestände im 19. Jahrhundert zusammen. Nach dem Revolutionsjahr 1848 war die Jagd nicht mehr Adelsprivileg, sondern das Jagdrecht wurde in vielen europäischen Ländern an den Grundbesitz gebunden. Die Landwirte, die sich in der Vergangenheit häufig durch die dank Überhege hohen Wildbestände in ihrer Existenz bedroht sahen, sorgten für drastische Bestandsrückgänge des zum Hochwild gehörenden Rothirsches. Gleichzeitig wurde die Waldweide stark eingedämmt und verschwand vielerorts vollständig. Beides bewirkte einen verminderten Konkurrenzdruck auf das Rehwild, die Nahrungsnische des Rehes vergrößerte sich. Die Auswirkung von Rotwildbeständen auf den Rehbestand lässt sich besonders deutlich für die Regionen zeigen, in denen die Rotwilddichte seitdem wieder zugenommen hat. Im Schweizer Nationalpark kamen um 1940 400 Rothirsche und 200 Rehe vor. 1970 dagegen hatte sich der Rothirschbestand vervierfacht, der Rehbestand dagegen um 80 Prozent abgenommen. Eine Vergrößerung der Nahrungsnische bedeutete gleichzeitig die Intensivierung der Landwirtschaft. Kulturland bietet heute deutlich mehr Nahrung als der Nutzwald.

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Ökologische Nische

Das Reh ist ein wichtiges Wildtier. Aus diesem Grund und wegen seiner weiten Verbreitung sind sie für wissenschaftliche Studien sehr beliebt.

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Referenzen

1. Reh artikel auf Wikipedia - https://de.wikipedia.org/wiki/Reh
2. Reh auf der Website der Roten Liste der IUCN - http://www.iucnredlist.org/details/42395/0

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