Mauerläufer
Reich
Stamm
Klasse
Ordnung
Familie
Gattung
SPEZIES
Tichodroma muraria

Der Mauerläufer (Tichodroma muraria) ist ein kleibergroßer, auffällig gefärbter Singvogel, der zerstreut in alpinen Lagen Eurasiens vorkommt. Charakteristische Feldkennzeichen sind die rote und weiße Zeichnung der breiten Flügel, die während der Brutzeit schwarze Kehle des Männchens, der lange, leicht abwärts gebogene Stocherschnabel und der unstete Flatterflug. Mauerläufer bewohnen nahezu alle europäischen und asiatischen Gebirge, ostwärts etwa bis zum Großen Hinggan-Gebirge nordwestlich von Peking, wo sie sich während der Brutzeit vor allem, jedoch nicht ausschließlich in hochalpinen, felsigen Bereichen aufhalten. Die Art brütet in Felsspalten oder Felshöhlen und ernährt sich von Insekten, die aus Spalten und Ritzen oder von der Felsoberfläche gesammelt, oder im Flug erbeutet werden. In Europa erreichen die Brutvorkommen Höhen bis annähernd 3500 Meter, in Tibet überschreiten sie 5000 Meter. Während sie nach der Brutsaison meist in noch höhere Lagen aufsteigen, verbringen Mauerläufer die Wintermonate zwar nahe der Brutgebiete, jedoch in geringerer Höhe, beziehungsweise in klimatisch begünstigteren Regionen. In dieser Jahreszeit ist die Art auch an felsigen Strandabschnitten oder an Gebäuden zu beobachten.

Mehr anzeigen

Die systematische Einordnung dieser Art, die sowohl Merkmale der Kleiber (Sittidae) als auch der Baumläufer (Certhiidae) aufweist, ist schwierig und wird in der Wissenschaft unterschiedlich bewertet. Vor allem die Validität der Familie Tichodromidae wird zunehmend in Zweifel gezogen. Mit Stand 2020 werden trotz des sehr großen Verbreitungsgebietes und der oft weit voneinander isolierten Vorkommen nur zwei, sehr schwach differenzierte Unterarten unterschieden, von denen keine in einer Gefährdungsstufe der IUCN aufscheint

Weniger anzeigen

Herkunft der Tiernamen

Der wissenschaftliche Gattungsname ist wie bei einigen anderen Gattungsnamen pleonastisch. Tichodroma setzt sich aus dem altgr. Nomen tò teīchos = die Mauer und (wahrscheinlich) dromás = laufend zusammen. muraria ist ein von dem lateinischen Wort murus, -i m. = Mauer abgeleitetes Adjektiv. Unter Mauer ist aber durchaus die Felswand zu verstehen, so wie auch heute im alpinistischen Sprachgebrauch steile Felswände als Mauern bezeichnet werden.

Mehr anzeigen

In älterer Literatur wird der Mauerläufer auch Alpenmauerläufer, Mauerspecht, Mauerklette, Karminspecht oder Alpenspecht genannt.

Weniger anzeigen

Aussehen

Der Mauerläufer ist wegen seines Vorkommens in steilen Felswänden und Felsgebieten sowie Schluchten und Klammen, seines bunten Aussehens und seiner besonderen Bewegungsweise unverwechselbar.

Mehr anzeigen

Feldornithologisch auffälligste Kennzeichen sind der lange, nach unten gebogene, schwarze Stocherschnabel, die auffallend breiten Flügel mit den dunkelziegelroten, weiß punktierten Deckfedern der Arm- und Handschwingen sowie die im Prachtkleid tiefschwarze Kehle des Männchens.

Im Flug erinnert der Mauerläufer an einen sehr kleinen, etwas seltsam gefärbten Wiedehopf oder an einen sehr großen Schmetterling. Seine Gesamtlänge beträgt knapp 17 cm.Im Sitzen wirkt der Vogel mausähnlich, sogar mausgleich sind seine huschenden Bewegungen; nur die rote Umrandung der Flügel sticht aus der insgesamt schiefergrauen Erscheinung deutlich hervor. In dieser Position fallen auch die sehr kurzen Beine mit den überlangen Zehen auf.

Während der Nahrungssuche ist der Mauerläufer am auffälligsten. Im steilen Felsgelände hüpft oder fliegt er kletternd unter dauerndem Flügelzucken und Flügelausbreiten meist seitwärts nach oben, wobei die roten und weißen Flügelabzeichen sichtbar werden.

Beide Geschlechter ähneln einander sehr. Im Prachtkleid ist die Kehle des Weibchens eher grau gefärbt, nicht tiefschwarz wie beim Männchen. Die Vorderbrust, die beim Männchen dunkelgrau bis schwarz ist, geht beim Weibchen in helle, fast reinweiße Töne über. Im Schlichtkleid sind die Geschlechter nur schwer zu unterscheiden, die Färbung entspricht dann in etwa dem Gefieder des Weibchens im Prachtkleid.

Die Unterart T. m. nepalensis ist etwas größer und etwas dunkler gefärbt als die Nominatform. Die weißen Farbabzeichen insbesondere auf den Schwanzfedern sind größer. Die Unterschiede zur Nominatform sind insgesamt allerdings sehr gering und zudem variabel, sodass Tichodroma muraria vielfach auch als monotypische Art behandelt wird.

Weniger anzeigen

Verteilung

Erdkunde

Der Mauerläufer ist in seinem gesamten Verbreitungsgebiet nirgendwo häufig. Allerdings ist die Art auf Grund ihres hochalpinen Lebensraums auch schwer erfassbar.

Mehr anzeigen

Die Bruthabitate der Art sind im Allgemeinen unzugängliche, zerklüftete und spaltenreiche montane bis hochalpine Felsgebiete. Bevorzugt werden Kalkgesteine sowie Gneise und kristalline Schiefer. Wichtig sind eine unterschiedliche Besonnung während des Tagesablaufes, eingelagerte Graspolster oder sonstiger Bewuchs sowie die Nähe zu Wasseraustritten oder Wasserfällen. Die Höhe der Felsen spielt keine große Rolle, so wurden Brutplätze in über 1.000 Meter hohen Wänden ebenso entdeckt wie solche in Steinbrüchen mit weniger als 40 Metern. Zusätzlich besiedelt die Art relativ feuchte Felsschluchten und im Mittelmeerraum Felsgebiete mit vereinzeltem Bewuchs mit Zypressenwacholder (Juniperus phoenicea) und Rosmarin (Rosmarinus officinalis). Stark windexponierte Lagen werden nur selten besiedelt.

Die vertikale Verteilung der Brutplätze liegt in Europa etwa zwischen 400 Metern und über 2.500 Metern. Vor allem östlich des ornithologisch sehr gut erfassten Vorarlberger Rheintales fällt eine Häufung von Tieflagenbruten auf, namentlich im Raum Dornbirn und Hohenems. Aber auch diese Lebensräume stehen in Verbindung zu Gebirgsstöcken und Hochgebirgslagen, in die die Vögel nach Abschluss des Brutgeschäftes während der verbleibenden temperaturmäßig günstigen Monate meist verstreichen.

Außerhalb Europas sind Brutplätze aus über 4.000 Metern bekannt; bei der Nahrungssuche wurden Mauerläufer in Felswänden in Höhen von über 6.000 Metern beobachtet.

Sofern die Vögel während der Wintermonate im Brutgebiet verharren, suchen sie in der Regel bedeutend tiefer gelegene Bereiche auf. Sie können dann vereinzelt auch in urbanen Gebieten beobachtet werden, wie zum Beispiel ziemlich regelmäßig am Berner Münster.

Weniger anzeigen
Mauerläufer Lebensraum-Karte
Mauerläufer Lebensraum-Karte
Mauerläufer
Attribution-ShareAlike License

Gewohnheiten und Lebensstil

Die tagaktiven Vögel verlassen ihre Schlafhöhle mit Tagesbeginn, bei Sonnenuntergang suchen sie sie wieder auf. Im Winter beginnt die Aktivitätsphase deutlich später und endet früher. Die Aktivitätsphase wird häufig durch Ruhe- und Putzphasen unterbrochen, die in der Regel aber nur sehr kurz dauern.

Mehr anzeigen

Sonnenbaden gehört zu den häufig praktizierten Komfortverhaltensweisen. Dabei liegt der Vogel entweder mit breit ausgefächerten Flügel- und Schwanzfedern auf einem flachen, sonnenexponierten Felsband oder er nimmt eine quasi sitzende Stellung ein, wobei er Bauch, Brust und Kehle der Sonne darbietet. Der Kopf ist in dieser Stellung nach hinten überstreckt, der Schwanz dient als Stütze. Auch ausgiebiges Sandbaden und Baden, meist in kleinen, von oben herabrieselnden Rinnsalen, sind für die Körperhygiene des Mauerläufers sehr wesentlich.

Bei Bedrohung durch Raubsäuger zuckt der Mauerläufer sehr schnell mit den Handschwingen; beim Erscheinen von Greifvögeln verharrt er regungslos.

Weniger anzeigen
Lebensstil
Saisonales Verhalten
Vogelruf

Fressverhalten und Ernährung

Der Mauerläufer ernährt seine Brut ausschließlich mit Wirbellosen. Die Nahrungszusammensetzung ist auf Grund der schweren Beobachtbarkeit des Vogels nicht in allen Einzelheiten erforscht. Sie besteht vor allem aus kleinsten bis mittelgroßen Insekten; Spinnen und Weberknechte scheinen ebenfalls eine wichtige Rolle zu spielen.Die Beutetiere werden durch Stochern aus Ritzen geholt oder vom Boden aufgelesen. Das ständige Flügelzucken wird offenbar zum Aufschrecken der Insektennahrung eingesetzt. Kurze Verfolgungsflüge in der Art von Fliegenschnäppern nach Fluginsekten wurden beobachtet, scheinen aber oft erfolglos zu enden. Bei der Nahrungssuche werden Steinchen umgedreht, Hindernisse werden durch Hämmern beseitigt. Kleine Insekten werden mit der spitzen Zunge durchbohrt und in den Rachen gezogen, größere durch Zerschlagen getötet und dann verschluckt.

Mehr anzeigen

Mauerläufer trinken bevorzugt, indem sie Wassertropfen von oben direkt in den geöffneten Schnabel rinnen lassen.

Weniger anzeigen

Paarungsgewohnheiten

Die Brutbiologie der Art ist auf Grund ihrer schweren Beobachtbarkeit nicht ausreichend erforscht.

Mehr anzeigen

Mauerläufer schreiten wohl schon gegen Ende ihres ersten Lebensjahres zu ihrer ersten Brut. Wahrscheinlich führen sie eine monogame Saisonehe. Einiges deutet darauf hin, dass sich einige Partner auf Grund ihrer großen Brutorttreue über Jahre hinaus wiederverpaaren. In isolierten Populationen wurden auch Verpaarungen und erfolgreiche Bruten enger Verwandter beobachtet. Die Paarbildung erfolgt schon im Winterquartier.

Die Brutperiode beginnt selten vor Mitte Mai. Das Gelege besteht aus drei bis fünf spitzovalen weißen Eiern, die meist am breiteren Ende tiefrote bis schwarze Punkte und Spritzer aufweisen. Die Bebrütung des Geleges beginnt nach der Ablage des vorletzten Eis, entsprechend schlüpfen die Jungen innerhalb von vierundzwanzig Stunden. Die Brutdauer und die Fütterungszeit sind witterungsabhängig, Mittelwerte sind 20 beziehungsweise 30 Tage. Es erfolgt offenbar nur eine Jahresbrut, auch bei Gelegeverlust schreiten die Eltern, wohl vor allem aus Zeitgründen, zu keiner Zweitbrut. Die flüggen Jungen verbleiben einige Wochen nach dem Ausfliegen in einem losen Familienverband, bevor sie oft in relativ weit entfernte Gebiete abstreichen. Die Altvögel steigen nach Beendigung des Brutgeschäftes meist in größere Höhen auf, bevor sie ihre Winterquartiere in tieferen Lagen aufsuchen.

Weniger anzeigen

POPULATION

Populationszahl

Der Mauerläufer gehört zu den äußerst schwer erfassbaren Vogelarten, sodass über Bestandszahlen und Bestandsentwicklungen insbesondere in den außereuropäischen Verbreitungsgebieten nur unzureichende Informationen vorliegen. Die IUCN schätzt den Gesamtbestand auf eine halbe Million bis eineinhalb Millionen adulte Individuen. Die Gefährdungssituation wird mit LC (Least Concern) beurteilt. In Europa liegen die Kernpopulationen in Spanien, Frankreich und in Italien. Auch die Türkei beherbergt viele Brutpaare. Insgesamt wird der Gesamtbestand der europäischen Brutpopulation auf maximal 100.000 Brutpaare beziffert.Gefährdungspotential besteht vor allem durch den zunehmenden Wandertourismus und Kletteraktivitäten in bisher unberührten Bergregionen.

Referenzen

1. Mauerläufer artikel auf Wikipedia - https://de.wikipedia.org/wiki/Mauerl%C3%A4ufer
2. Mauerläufer auf der Website der Roten Liste der IUCN - https://www.iucnredlist.org/species/22711234/155489183
3. Xeno-Canto-Vogelruf - https://xeno-canto.org/642238

Mehr faszinierende Tiere zum Kennenlernen