Der Dreizehenspecht (Picoides tridactylus) ist eine der zwölf Arten der Gattung Picoides innerhalb der Unterfamilie der Echten Spechte. Die meist in 8 Unterarten differenzierte Art ist in der borealen Paläarktis vertreten. Die vorher zur Art Picoides tridactylus gerechneten nearktischen Vertreter werden heute als eigenständige Art Fichtenspecht (Picoides dorsalis) betrachtet. Die nordeuropäischen Vorkommen von Picoides tridactylus gehören zur Nominatform, während die mittel- und südosteuropäischen Reliktvorkommen zur Unterart P. t. alpinus gerechnet werden.
Der Dreizehenspecht ist etwas kleiner als ein Buntspecht und auf Grund des Fehlens jeglichen Rots in der Gefiederfärbung gut bestimmbar. Er bewohnt alte, totholzreiche Nadelwälder, in denen er sich hauptsächlich von holzbewohnenden Käferlarven ernährt. In Mittel- und Südosteuropa ist sein Vorkommen auf montane bzw. subalpine Lagen beschränkt. Er scheint in seinem gesamten Verbreitungsgebiet nirgendwo häufig zu sein, gilt aber laut IUCN als ungefährdet.
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beginnt mitDas Gefieder des knapp buntspechtgroßen Baumspechtes (Körperlänge 20 bis 22 Zentimeter) weist keine Rot- oder Rosatöne auf. Trotz der zwischen den Rassen sehr unterschiedlichen Verteilung der schwarzen und weißen Gefiederanteile wirken Dreizehenspechte eher dunkel. Kennzeichnend sind die dunklen Wangen und der helle, gelbliche Bart- und der weiße Überaugenstreif. Der Überaugenstreif verläuft V-förmig in den Nacken, wo er bei den helleren borealen Unterarten in den weißen bis weiß-gescheckten Rücken einmündet, bei einigen ostasiatischen sowie der heimischen Unterart alpinus am schwarzen Oberrücken endet. Das Bauchgefieder ist bei den meisten Unterarten schwarz-weiß gesperbert, bei einigen ostasiatischen Subspezies aber auch fast zeichnungslos dunkel. Die Deckfedern der Flügel sind schwarz, ohne weiße Schulterabzeichen, die Handschwingen weisen eine schwarz-weiße Bänderung auf, ebenso die äußeren Steuerfedern. Nicht immer deutlich ist der gelbe bis orangegelbe Scheitel des Männchens zu erkennen. Beim etwas matter gezeichneten Weibchen ist der Scheitel schwarzgrau und wirkt etwas bereift. In der Größe unterscheiden sich die Geschlechter nicht. Insgesamt ist die Art feldornithologisch gut bestimmbar. Das dunkle Wangenfeld und das Fehlen von Rottönen und weißen Schulterabzeichen sind die besten Erkennungsmerkmale.
Die bei den meisten Kletterspechten weitgehend funktionslose, fest nach hinten gerichtete Zehe ist bei dieser Art äußerlich völlig zurückgebildet und wird durch eine optional nach hinten stehende Zehe ersetzt. Beim normalen Auf- bzw. Abwärtsklettern stehen zwei Zehen nach vorne und eine nach hinten. Beim – bei dieser Art besonders häufigen – spiraligen Klettern stehen die drei Zehen etwa im rechten Winkel zueinander.Lediglich Fichtenspecht und Schwarzrückenspecht haben ebenfalls nur drei Zehen.
Der Dreizehenspecht ist im borealen Wald der gesamten Paläarktis verbreitet. Er bewohnt den gesamten nördlichen Nadelwaldgürtel von Nordost-Polen, dem Baltikum und Mittelskandinavien ostwärts bis Kamtschatka, Sachalin und Hokkaidō. Isoliert vom geschlossenen Verbreitungsgebiet bestehen Vorkommen in Westchina, vor allem im Tianshan, sowie in einigen Gebirgslagen Europas.
Die als eiszeitliche Reliktvorkommen angesehenen mitteleuropäischen und südosteuropäischen Verbreitungsgebiete umfassen subalpine bis alpine Lagen in den Alpen, den Karpaten, dem Dinarischen Gebirge sowie den Rhodopen. Brutverdacht besteht auch in einigen Gebirgslagen Griechenlands.
Der Dreizehenspecht ist sehr stark an die Fichte gebunden, brütet aber auch, wenn auch in geringeren Dichten, in der Kiefernwaldtaiga beziehungsweise in Lärchen- und Arvenbeständen. In der nördlichen Taiga kommt er auch in reinen Birkenbeständen vor.
P. t. alpinus brütet fast ausschließlich in reinen Fichtenbeständen, nur gelegentlich kommt er auch in alten Reinbeständen der Gewöhnlichen Kiefer (Pinus sylvestris) und der Mazedonischen Kiefer (Pinus peuce) vor. Ideale Lebensräume bilden wenig bewirtschaftete Wälder mit großen Lichtinseln und einem großen Anteil an Tot- bzw. Schadholz. In den Niederungsgebieten werden feuchte, moorige Waldgebiete trockenen eindeutig vorgezogen, in den subalpinen Lagen Mittel- und Südeuropas sind es vor allem autochthone Fichtenwälder, die der Art ideale Lebensräume bieten.
Der Dreizehenspecht ist ein ausgesprochener Hack- und Kletterspecht. Die Aktivitätsperiode beginnt mit Sonnenaufgang und endet mit Sonnenuntergang, ausgesprochenes Schlechtwetter kann diese Periode etwas verkürzen.
In seinen Bewegungsabläufen gleicht der Dreizehenspecht weitgehend dem Buntspecht (Dendrocopos major). Doch erscheinen bei ihm das spiralige Aufwärtshüpfen sowie das Stammabwärtsrutschen besonders leicht und spielerisch. Nur sehr selten ist dieser Specht auf dem Boden und auch auf liegenden Stämmen zu beobachten. Dort bewegt er sich durch zweibeiniges Hüpfen fort.
Der Flug ist ein kräftiger Bogenflug; in der Fallphase werden die Flügel eng an den Körper angelegt. Bei plötzlichen Wendungen sind deutliche Flügelgeräusche zu vernehmen.
Ruhe- und Putzphasen während des Tages (meist um die Mittagsstunden) verbringt der Specht an einem Stamm hängend. Zur Nachtruhe sucht er jedoch in den meisten Fällen eine Spechthöhle auf. Im Feind- und Aggressionsverhalten ähnelt die Art ebenfalls dem Buntspecht sehr, doch scheint sie etwas verträglicher zu sein. Dreizehenspechte sind verhältnismäßig wenig scheu. Oft lassen sie Menschen auf bis zu 5 Meter herankommen, bevor sie fliehen. Meist entfernen sie sich dann unauffällig, ohne das buntspechtübliche Schelten bzw. Keckern.
Dreizehenspechte, die ihr Brutrevier während der Wintermonate nicht verlassen, zeigen auch außerhalb der Brutzeit territoriales Verhalten. Dabei teilen sich Männchen und Weibchen oft das angestammte Brutrevier, wobei ein deutlich reduziertes Aggressionsverhalten zwischen den Partnern festgestellt wurde. Meist wird das Weibchen jedoch in die suboptimalen Bereiche abgedrängt.
Der Dreizehenspecht ernährt sich vor allem von Insekten, die er durch Hacken oder Stochern aus der Rinde meist toter oder zumindest in ihrer Lebenskraft stark beeinträchtigter Bäume erbeutet. Larven, Puppen und unreife Imagines von Borkenkäfer, Rüsselkäfer, Prachtkäfer, Bockkäfer sowie Holzwespen und Weidenbohrer spielen im Nahrungsspektrum der Art die größte Rolle.
Pflanzliche Nahrung wird vom Dreizehenspecht nur im geringen Maße aufgenommen. Möglicherweise werden bei Nahrungsknappheit oder als Ergänzungsnahrung regelmäßig Fichtensamen verzehrt.
Das Ringeln ist aber auch, wie bei anderen Buntspechten, für den Nahrungserwerb dieser Art wichtig. Wahrscheinlich werden Baumsäfte (und Baumharze) sogar in der Jungenaufzucht verwendet.
Dreizehenspechte werden gegen Ende ihres ersten Lebensjahres geschlechtsreif; sie führen eine monogame Brutsaisonehe. Die Partnerbindung scheint unabhängig von der Verfügbarkeit eines Alternativpartners auch außerhalb der Brutperiode recht stark zu sein. Wiederverpaarungen über mehrere Jahre hinweg wurden beobachtet. In solchen Fällen erlischt ein loser Zusammenhalt auch während der Wintermonate nicht gänzlich. Balz und Reviergründung können schon im Mittwinter beginnen und enden höhenstufen- und witterungsabhängig zwischen Anfang April und Ende Mai. Insgesamt sind Dreizehenspechte auch während dieser Zeit (abgesehen von langem und anhaltendem Trommeln) nicht besonders auffällig.
Dreizehenspechte legen jedes Jahr neue Bruthöhlen an, die allein das Männchen in tote oder absterbende Koniferen, meist Fichten, meißelt. Nur selten werden vorjährige Bruthöhlen oder solche von anderen Spechten benutzt.
Die drei bis fünf reinweißen, spitzovalen Eier werden auf den nur durch Hackspäne etwas aufgelockerten Höhlenboden abgelegt und unter regelmäßiger Ablösung etwa 12 Tage bebrütet. Bis die Nestlinge, die von beiden Eltern mit Nahrung und Pflege versorgt werden, die Bruthöhle verlassen, verstreichen bis zu 25 Tage; daran schließt sich eine auffallend lange Führungszeit an, die über einen Monat dauern kann und während der die Jungen anfangs regelmäßig, später aber nur mehr gelegentlich gefüttert werden.
Dreizehenspechte brüten in der Regel einmal im Jahr, nur bei Gelegeverlust kommt es regelmäßig zu Zweitbruten.
IUCN schätzt den Gesamtbestand sehr grob auf 5–50 Millionen Individuen innerhalb eines Verbreitungsgebietes von annähernd 15 Millionen Quadratkilometern. Europaweit werden die Bestände (vor allem wegen des Rückgangs der Nominatform) mit D (= depleted/ausgedünnt) bewertet. In der Schweiz, in Polen und in Tschechien wird die Art in den nationalen Roten Listen der Brutvögel geführt. Von vielen, insbesondere den südostasiatischen Unterarten, sind keine genauen Angaben zur Bestandsentwicklung verfügbar. Auch aus den Hauptverbreitungsgebieten in Sibirien liegen weder Bestandszahlen noch Bestandseinschätzungen vor.
Die europäischen Bestände müssen sehr unterschiedlich beurteilt werden. Die Bestandsdichten der Nominatform in Skandinavien lichten sich seit den 1970er Jahren beständig auf, doch traten bisher keine Arealverluste auf. Verantwortlich dafür sind vor allem die Intensivierung der Forstwirtschaft sowie das Anlegen monotoner Altersklassenwälder, wodurch totholzreiche Altbestände zunehmend verschwinden. Auch rigorose forsthygienische Maßnahmen nach intensivem Borkenkäferbefall reduzieren die Lebensraumqualität dieser Art. In den übrigen nordosteuropäischen Staaten erscheinen die Bestände stabil zu sein, aus Estland wird sogar eine Zunahme gemeldet. Die Art kann kurzzeitig von Sturmereignissen sowie Borkenkäfergradationen profitieren und vermag dann ihre Brutareale auszuweiten.
Die Unterart P. t. alpinus scheint ihr Brutgebiet in den letzten Jahrzehnten ausgedehnt zu haben. Vielleicht sind diese Wiederbesiedlungen lange verwaister Brutgebiete aber auch auf genauere Nachsuchen in den verschiedenen Kartierungskampagnen zurückzuführen.