Europäische Sumpfschildkröte
Reich
Stamm
Unterstamm
Klasse
Ordnung
Gattung
SPEZIES
Emys orbicularis
Populationsgrösse
Unknown
Lebensdauer
40-100 years
Länge
12-38
4.7-15
cminch
cm inch 

Die Europäische Sumpfschildkröte (Emys orbicularis) ist eine kleine bis mittelgroße, fleischfressende und überwiegend im Wasser lebende Schildkröte. Sie ist die einzige Schildkrötenart, die – wenn auch selten – in Mitteleuropa (auch Deutschland) natürlich vorkommt. Ihr Verbreitungsgebiet geht aber weit darüber hinaus, von Nordafrika im Südwesten bis an den Aralsee im Osten.

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Ungeachtet des Verbreitungsgebietes gehört die Europäische Sumpfschildkröte zur Familie der Neuwelt-Sumpfschildkröten (Emydidae), nicht etwa zu den nicht näher verwandten Altwelt-Sumpfschildkröten (Geoemydidae). Sie bildet zusammen mit der Sizilianischen Sumpfschildkröte (Emys trinacris) die Gattung Emys. Deren nächste Verwandte sind die Pazifische Sumpfschildkröte (Actinemys marmorata) sowie die Amerikanische Sumpfschildkröte (Emydoidea blandingii). Sie war Reptil des Jahres 2015 in Deutschland.

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Ta

Tagaktiv

Fl

Fleischfresser

Fi

Fischfresser

In

Insektenfresser

Se

Semiaquatisch

Pr

Prädator

Be

Behausung

Ne

Nestflüchter

Na

Natatorisch

Te

Terrestrisch

Re

Revier

Ov

Oviparie

So

Sozial

Do

Dominanzhierarchie

Ke

Keine Tierwanderung

Wi

Winterschlaf

E

beginnt mit

Aussehen

Die Europäische Sumpfschildkröte erreicht je nach Unterart und Geschlecht eine Rückenpanzerlänge von weniger als zwölf Zentimetern beziehungsweise mehr als 20 Zentimetern, wobei nördliche und östliche Unterarten im Allgemeinen größer werden als südliche. Adulte Tiere weisen einen ausgeprägten Geschlechtsdimorphismus auf, wobei die Weibchen größer werden als die Männchen, ihr Gewicht bewegt sich meist zwischen 400 und 700 Gramm. Es kann jedoch in Ausnahmefällen auch ein Gewicht von bis zu 1500 Gramm erreicht werden. Die Färbung der Tiere ist ebenfalls sehr variabel. Gewisse Zeichnungselemente können für einzelne Unterarten typisch sein. Der oft dunkle, braune oder schwarze Rückenpanzer (Carapax) kann ein Muster aus feinen gelben Punkten oder Linien tragen, die oft auf den einzelnen Schilden von einem Zentrum ausstrahlend angeordnet sind. Es gibt aber auch Formen mit dunkler Zeichnung auf hellem Hintergrund. Der Bauchpanzer (Plastron) kann einheitlich gelb, wolkig gefleckt, gesprenkelt, dunkel oder sogar völlig schwarz sein. Meistens zeichnet er sich jedoch durch ein schwarzes Zentrum aus. Die Gliedmaßen und der Hals sind dunkelbraun bis schwarz gefärbt und weisen häufig ebenfalls gelbe Zeichnungselemente auf.

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Der Panzer der Europäischen Sumpfschildkröte ist oval und eher flach, bei den Weibchen ist er etwas stärker gewölbt als bei den Männchen. Bauchpanzer und Rückenpanzer sind im Bereich der so genannten Brücke durch eine flexible Knorpelschicht und elastisches, häutiges Gewebe miteinander verbunden. Die mittlere Naht des Bauchpanzers entwickelt sich bei älteren Tieren zu einem Scharnier, das dem vorderen Plastron-Lappen eine gewisse Beweglichkeit ermöglicht.

Gliedmaßen und Schwanz sind von groben Schuppen bedeckt, die Haut von Kopf und Hals ist glatt. Hinter dem Kopf, der breiter als der Hals ist, sieht man eine Hautfalte, die beim Einziehen eine taschenartige Hülle bildet. Das Vorderende des Kopfes ist von oben betrachtet spitzwinklig und die Kiefer tragen unbezahnte scharfe Hornschneiden. Die seitlich im vorderen Bereich des Kopfes sitzenden Augen haben eine runde Pupille. Die Augenfärbung kann je nach Geschlecht unterschiedlich sein: adulte Männchen haben bei einigen Unterarten, insbesondere bei der Nominatform Emys orbicularis orbicularis, eine rötliche Iris, doch meistens haben sie eine bräunliche Irisfärbung vorzuweisen. Die Iris der Weibchen jedoch ist in den meisten Fällen gelb.

Zwischen den fünf Zehen der Vorderbeine und den vier der Hinterbeine spannen sich Schwimmhäute. Alle Zehen sind außerdem mit einer Kralle versehen, wobei besonders die Vorderkrallen bei den Männchen deutlich stärker gekrümmt sind. Die Europäische Sumpfschildkröte gehört zu den langschwänzigen Schildkrötenarten. Besonders ausgeprägt ist das bei Schlüpflingen, aber auch bei ausgewachsenen Tieren erreicht der Schwanz noch die Länge des halben Panzers. Bei männlichen Tieren ist die Schwanzwurzel verdickt, die Kloake liegt deutlich hinter dem Rückenpanzer-Rand.

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Verteilung

Erdkunde

Das Verbreitungsgebiet der Europäischen Sumpfschildkröte reicht von Marokko und Tunesien in Nordafrika über die Iberische Halbinsel, Südfrankreich, Korsika, Italien mit Sardinien und Sizilien, Polen, Ungarn, Rumänien, die Länder der Balkanhalbinsel und ganz Anatolien bis zum Aralsee und in den nördlichen Iran. In Russland reicht die östliche Grenze der Verbreitung bis an den südlichen Ural, die nördliche etwa bis auf die Höhe von Moskau. Das nördlichste Vorkommen gibt es in Litauen. In den Benelux-Ländern, in Tschechien und dem größten Teil von Österreich gibt es im besten Fall noch äußerst spärliche autochthone Bestände. In der Schweiz wurden Sumpfschildkröten in sechzehn Kantonen beobachtet, vor allem im Mittelland und im Tessin. Fortpflanzung wurde in den Kantonen Genf, Aargau und Thurgau beobachtet, wobei die Genfer Population mit einer Dichte von 64 Tieren pro Hektar zu den größten Europas zählt. Die wenigen Populationen, die es in Deutschland noch gibt, finden sich überwiegend in Ostdeutschland, so im Gebiet des Großen Stechlinsees. Ein besonders sehenswerter Bestand findet sich in der Woiwodschaft Großpolen bei Leszno. Dort wurde unweit des Dorfes Witosław bei Osieczna eigens für sie das Naturschutzgebiet Ostoja żółwia błotnego ausgewiesen.

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Die Europäische Sumpfschildkröte lebt in stillen oder langsam fließenden Gewässern, im Uferbereich von Binnenseen, in Teichen, Gräben und den Altarmen von Flüssen. Im Süden des Verbreitungsgebietes werden auch Bäche besiedelt. Entlang der Mittelmeerküste dringt sie in die brackigen Zonen der Flussmündungen vor. Stark verkrautete, nährstoffreiche Gewässer mit schlammigem Grund werden bevorzugt. Selbst in schlammigen Viehtränken kann man sie gelegentlich finden. Aus dem Wasser ragende Äste, von Bibern gefällte Bäume, Wurzelstrünke und anderes Totholz werden zum Sonnenbaden benötigt, auch Grashorste, alte Nester von Wasservögeln und ähnliches werden zu diesem Zweck aufgesucht. Ebenfalls wichtig sind flache Stillwasserzonen, die durch die Sonne erwärmt werden.

Für das Überleben der Europäischen Sumpfschildkröte hat es sich als problematisch erwiesen, dass in der Nähe ihrer Wohngewässer stets günstig exponierte, warme Sandhügel oder andere Trockenstandorte für die Eiablage vorhanden sein müssen. Ursprünglich waren die Schildkröten auch in offeneren Vegetationen mit steppenartigem Charakter beheimatet. Ideale Bedingungen findet die Schildkröte beispielsweise in den klaren Bächen des Bruchwaldes des Naturschutzgebietes Zarth im Naturpark Nuthe-Nieplitz in Brandenburg vor. Allerdings kann man sie etwa in Mecklenburg-Vorpommern und in Brandenburg auch in Söllen und Teichen inmitten von Agrarflächen finden. In Hessen existiert eine eigenständige Population am Reinheimer Teich, deren Nachzuchten aus dem Frankfurter Zoo seit 2004 ausgesetzt werden; zudem befindet sich in der Bockenheimer Miquel-Anlage eine kleine Population. In Österreich findet sich in den Donauauen östlich von Wien die letzte natürlich fortpflanzende Population sowie einige ausgesetzte Exemplare am Wienerberg im Gemeindegebiet Wiens. In Mittelfrankreich und in Polen sind Vorkommen in Teichlandschaften bekannt, die für die Fischzucht angelegt wurden.

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Europäische Sumpfschildkröte Lebensraum-Karte

Klimazonen

Europäische Sumpfschildkröte Lebensraum-Karte
Europäische Sumpfschildkröte
Attribution-ShareAlike License

Gewohnheiten und Lebensstil

Europäische Sumpfschildkröten gelten in der Regel als semiaquatisch; ihre terrestrischen Bewegungen können bis zu 1 km betragen, und gelegentlich werden sie auch bis zu 4 km weit weg vom Wasser gefunden. Europäische Sumpfschildkröten sind sozial und leben in kleinen Gruppen. Tagsüber sieht man sie oft stundenlang auf Steinen, Baumstämmen oder am Ufer liegen. Wenn sie gestört werden, kehren sie schnell ins Wasser zurück, wo sie die Umgebung nur mit der Nase und den Augen absuchen, die über der Wasseroberfläche auftauchen, und sich oft in der schwimmenden Vegetation verstecken. Diese Schildkröten können viele Stunden lang unter Wasser bleiben, bevor sie wieder an die Oberfläche kommen. In den kalten Monaten des Jahres halten die Sumpfschildkröten Winterschlaf und graben sich in den Schlamm ein. Sie tauchen normalerweise erst im späten Frühjahr wieder auf.

Fressverhalten und Ernährung

Die Europäische Sumpfschildkröte ernährt sich vor allem von Schnecken, Krebstieren, Insektenlarven und anderen wirbellosen Tieren. Aber auch Kaulquappen, tote Fische oder Aas werden gerne angenommen. Größere Brocken packt sie mit ihren hornigen Kiefern und reißt sie mit den Klauen der Vorderbeine in Stücke, die sie ganz verschlingt. Entgegen den meisten Angaben in der Literatur ist sie nicht nur karnivor, sondern nimmt in allen Altersstufen durchaus auch Wasserpflanzen zu sich, beispielsweise Wasserpest, Algen und Wasserlinsen. Im Kot wurden auch Samen der gelben Teichrose gefunden, wobei nicht ganz klar ist, ob diese zufällig mit anderem Futter aufgenommen wurden.

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Die Europäische Sumpfschildkröte ist gelegentlich auch auf dem Land auf Beutesuche anzutreffen, frisst aber ausschließlich im Wasser. Das hängt damit zusammen, dass sie nur unter Wasser schlucken kann. Zum Fressen hält sie größere Nahrung mit den Vorderbeinen fest und reißt Stücke ab. Zum Schlucken stößt sie ruckartig den Kopf vor, und der dabei eintretende Wasserstrom spült den Nahrungsbrocken in den Hals.

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Paarungsgewohnheiten

Je nach geographischer Lage und Geschlecht variiert der Eintritt der Geschlechtsreife bei den Europäischen Sumpfschildkröten sehr stark. Männchen in Südspanien werden bereits mit vier Jahren geschlechtsreif, Weibchen in kälteren Regionen dagegen teilweise erst mit 18 Jahren, im Mittel liegen die Werte bei 8 bis 10 Jahren. Die Paarungsaktivitäten beginnen im zeitigen Frühjahr, oft schon im Februar oder März nach Beenden der Winterstarre. Die Männchen treiben die Weibchen ins Wasser, steigen auf und klammern sich am Rückenpanzer fest. Mit schwingenden Kopfbewegungen und Schnappen bringen sie die Weibchen dazu, den Kopf einzuziehen. Das führt dazu, dass die Kloake weiter aus dem Panzer ragt, so dass der Penis eingeführt werden kann.

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Die Eiablagen finden überwiegend im Laufe des Juni statt, wobei die Weibchen meist jedes Jahr zu denselben Ablageplätzen wandern. Auf der Suche nach einem geeigneten Eiablageplatz können sie große Strecken zurücklegen, in der Regel sind die Nester aber weniger als 500 Meter von ihrem normalen Aufenthaltsgewässer entfernt. Für die Eiablage werden trockene, sandige, der Sonnenwärme ausgesetzte Stellen benutzt, die nur schwachen Bewuchs aufweisen. Nach Süden orientierte Hänge, Böschungen, Waldränder etc. werden bevorzugt. Gelegentlich werden auch weniger geeignete Stellen mit feuchtem oder schlammigem Boden aufgesucht, sogar Äcker oder ungeteerte Straßen werden nicht verschmäht. Die Eiablage findet in den Nachmittags- und Abendstunden sehr warmer Tage statt. Zuerst wird mit den Hinterbeinen eine etwa zehn Zentimeter tiefe Nesthöhle ausgegraben, die sich unter einer engen Öffnung birnenförmig erweitert. Harter Boden kann mit Wasser aufgeweicht werden, das die Schildkröte in ihren Analsäcken mitführte. Nach der Ablage wird das Nest sorgfältig verschlossen und der Boden verfestigt, so dass die Stelle nur noch für kurze Zeit an der etwas dunkleren Färbung der Erde zu erkennen ist.

Die Gelege umfassen im Durchschnitt 9 bis 15 Eier, aber auch Gelege mit mehr als 20 Eiern wurden schon gefunden. In den nördlichen Teilen des Verbreitungsgebietes ist die durchschnittliche Anzahl Eier pro Ablage größer, in den südlichen ist sie kleiner, dafür folgt dort meist ein zweites Gelege im Sommer. Die Eier sind etwa 20 bis 25 Millimeter lang und sechs bis zehn Gramm schwer.

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POPULATION

Populationsgefährdung

Die Art ist vor allem durch die Folgen menschlicher Eingriffe in ihren Lebensraum bedroht: Trockenlegung von Sümpfen und Feuchtgebieten, Gewässerkorrekturen, die Zersiedelung der Landschaft und Zerstörung der Eiablageplätze setzen den Schildkröten stark zu. Während Emys orbicularis früher in großen Mengen als Fastenspeise gefangen und verzehrt wurde, ist der Straßenverkehr heute wohl die größte Gefahr. Auf der Suche nach Nistplätzen oder auf dem Weg zurück in das Gewässer werden die Weibchen bei der Überquerung von Straßen häufig überfahren. Auch die Fischerei hat dort, wo sie mit Reusen betrieben wurde, viele Opfer gefordert, denn die Schildkröten ertrinken in den Fischreusen unweigerlich. Die IUCN stuft die Europäische Sumpfschildkröte als potenziell gefährdet ("near threatened") ein. In Deutschland gilt sie als vom Aussterben bedroht.

Populationszahl

Die Rote Liste der IUCN und andere Quellen liefern keine Angaben zur Gesamtpopulationsgröße der Europäischen Sumpfschildkröte. Derzeit wird diese Art in der Roten Liste der IUCN als Potentiell gefährdet (NT) eingestuft.

Referenzen

1. Europäische Sumpfschildkröte artikel auf Wikipedia - https://de.wikipedia.org/wiki/Europ%C3%A4ische_Sumpfschildkr%C3%B6te
2. Europäische Sumpfschildkröte auf der Website der Roten Liste der IUCN - https://www.iucnredlist.org/species/7717/97292665

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