Gänsegeier
Reich
Stamm
Klasse
Ordnung
Familie
Unterfamilie
Gattung
SPEZIES
Gyps fulvus
Populationsgrösse
500,000-1 Mln
Lebensdauer
41.4 years
Höchstgeschwindigkeit
75
47
km/hmph
km/h mph 
Gewicht
6-11
13.2-24.2
kglbs
kg lbs 
Länge
93-122
36.6-48
cminch
cm inch 
Spannweite
2.3-2.8
7.5-9.2
mft
m ft 

Der Gänsegeier (Gyps fulvus) ist ein großer Vertreter der Altweltgeier (Aegypiinae); er ist durch seine Größe und die deutlich zweifarbigen Flügel in Europa kaum zu verwechseln. Das stark zersplitterte Verbreitungsgebiet umfasst große Teile der südwestlichen Paläarktis, nach Norden reicht das Areal bis in das südliche Mitteleuropa. Die Tiere ernähren sich zumindest in Europa fast ausschließlich von Aas größerer Nutztiere. Gänsegeier brüten in Kolonien in Felsen. Altvögel sind überwiegend Standvögel, juvenile und immature Gänsegeier sind Teilzieher und verbringen den Sommer meist abseits der Brutplätze in Gebieten mit reichem Nahrungsangebot. Die Art übersommert seit langer Zeit regelmäßig in den Alpen und fliegt – wohl vor allem bedingt durch eine starke Bestandszunahme in Südwesteuropa – in den letzten Jahren im Sommer verstärkt auch in das nördliche Mitteleuropa ein.

Aussehen

Der Gänsegeier zählt zu den großen Altweltgeiern. Die Körperlänge ausgewachsener Exemplare beträgt 93 bis 110 cm, die Spannweite 234 bis 269 cm. Die Tiere wiegen 6,2 bis 11,3 kg. Die Art zeigt keinen Geschlechtsdimorphismus bezüglich Färbung, Größe oder Gewicht. Drei in Italien und Salzburg erlegte Männchen wogen 6,2 bis 8,5 kg, fünf Weibchen 6,5 bis 8,3 kg, im Mittel 7,48 kg. Männchen aus Europa hatten Flügellängen von 68,4–73,5 cm, im Mittel 70,87 cm, Weibchen aus demselben Raum 69,0 bis 75,0 cm, im Mittel 70,77 cm.

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Dieser Geier ist deutlich zweifarbig. Rumpf, Beinbefiederung sowie die kleinen und mittleren Unter- und Oberflügeldecken sind bei adulten Vögeln blass braun bis hell rotbraun mit vor allem auf der Unterseite ausgeprägten hellbeigen Stricheln. Damit deutlich kontrastierend sind die Schwingen und die Steuerfedern fast einfarbig schwarzgrau. Die großen Oberflügeldecken und die Schirmfedern sind schwarzbraun und breit hellbraun gerandet, die hellbraunen Ränder bilden auf dem Oberflügel ein deutliches helles Band. Kopf und Hals sind dicht weiß bedunt, an Oberkopf und unterem Vorderhals oft mehr cremefarben. Die lockere, dicht flaumige Halskrause ist weiß. Der kräftige Schnabel ist gelblich hornfarben bis grüngelb und an der Basis blassgrau. Die Wachshaut sowie die unbefiederten Teile der Beine und die Zehen sind grau.

Im Jugendkleid besteht die Halskrause aus schmal lanzettlichen, hellbraunen Federn. Der helle Rand der großen Oberflügeldecken ist nur undeutlich ausgebildet, so dass das helle Band auf den Oberflügeln nur sehr schwach ausgeprägt ist. Der Schnabel ist dunkel hornfarben. Gänsegeier sind im Alter von 6 bis 7 Jahren ausgefärbt.

Im Flug ist die Art in Europa durch die deutlich zweifarbigen Flügel, den dunklen, kurzen, gerundeten oder leicht keilförmigen Schwanz und den wenig auffallenden kleinen Kopf mit eingezogenem Hals kaum zu verwechseln. Die Vögel wirken auch im Flug sehr groß, diese Größe wird durch die gelegentlichen, sehr langsamen Flügelschläge noch betont. Beim Kreisen werden die Flügel ähnlich wie beim Steinadler leicht nach oben gehalten. Die Handschwingen sind tief gefingert. Die Armschwingen sind häufig länger als die inneren Handschwingen, so dass der Flügelhinterrand geschwungen ist und nicht gerade.

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Video

Verteilung

Erdkunde

Das stark zersplitterte Verbreitungsgebiet umfasst große Teile der südwestlichen Paläarktis, nach Norden reicht das Areal bis in das südliche Mitteleuropa. Der Gänsegeier kommt in Marokko und Algerien und in Europa auf der Iberischen Halbinsel (Nationalpark Monfragüe, Spanien, 800 geschätzte Paare), Sardinien, in Südfrankreich und nach Osten in weiten Teilen des Balkans vor. Weiterhin sind Teile der Arabischen Halbinsel besiedelt.

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Über die Verbreitung in Asien gibt es in der Literatur zum Teil widersprüchliche Angaben. Nach Ferguson-Lees & Christie erstreckt sich das Areal über den Nahen und Mittleren Osten und dann unter Aussparung der zentralasiatischen Hochgebirge nach Nordosten bis in den Südosten Kasachstans und nach Südosten über den Iran und Afghanistan über Pakistan und den Norden Indiens bis in das Flachland Nepals, möglicherweise auch noch bis Bhutan. Als unsicher und wahrscheinlich nur herumstreifende Gäste betreffend bezeichnen die Autoren das Vorkommen in Assam. Nach Glutz von Blotzheim und Bauer reicht das Areal der Art im Nordosten bis in den Nordwesten der Mongolei und im Südosten nur bis in den Südwesten Pakistans und in das nordindische Unionsterritorium Jammu und Kashmir.

Zur Brut und zur Rast werden senkrechte oder steile Felsklippen, Schluchten und ähnlich nutzbare Felsformationen benutzt, sehr gerne mit Überhängen. Die Nahrungssuche findet über einem weiten Spektrum überwiegend offener und trockener Landschaften statt, dazu zählen Steppen, Halbwüsten, Berghänge und Hochplateaus, aber auch landwirtschaftliche Flächen der Ebene. Die Art kommt in Höhen von 0 bis 3000 m vor; Nahrung suchende Gänsegeier wurden auch bis in 3500 m Höhe beobachtet.

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Gänsegeier Lebensraum-Karte

Klimazonen

Gänsegeier Lebensraum-Karte
Gänsegeier
Attribution-ShareAlike License

Gewohnheiten und Lebensstil

Gänsegeier sind tagaktiv und kooperieren bei der Nahrungssuche, indem sie ein bestimmtes Gebiet umkreisen und sich in Sichtweite eines anderen Geiers aufhalten, bis die Nahrung gesichtet wird. In diesem Moment kann eine große Anzahl von Vögeln aufsteigen, um sich von dem toten Tier zu ernähren. Dies kann zu beeindruckenden Drohgebärden und Kämpfen führen, da jeder Vogel versucht, seinen Platz zu behaupten. Gänsegeier sind recht lautstark und geben eine Vielzahl von Rufen von sich, wenn sie mit anderen ihrer Art kommunizieren. Dominante Vögel geben bei der Fütterung ein langgezogenes Zischen von sich, und wenn ein anderer Vogel zu nahe kommt, ertönt ein hölzern klingendes Klappern.

Saisonales Verhalten
Vogelruf

Fressverhalten und Ernährung

Gänsegeier suchen wie viele Vertreter der Gattung Gyps nach Nahrung, indem sie einzeln ausdauernd über der offenen Landschaft kreisen. Die Tiere fliegen morgens gemeinsam aus der Kolonie ab und entfernen sich dann bis zu 60 km von der Kolonie. Die Geier suchen direkt nach Aas auf dem Boden, aber auch indirekt durch die Beobachtung bodenlebender Raubtiere und vor allem durch die Beobachtung anderer aasfressender Vögel im Luftraum. Auf diese Weise sammeln sich an einem einmal entdeckten Kadaver immer mehr Geier, die jeweils das Niedergehen ihrer Artgenossen beobachtet haben.

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Die Nahrung besteht ausschließlich aus frischem oder bereits verwesendem Aas, dabei werden vor allem die inneren Organe und der Mageninhalt sowie das Muskelfleisch von mittelgroßen bis großen Säugetieren gefressen. Zumindest in Europa verwerten Gänsegeier heute praktisch ausschließlich tote Haustiere; von Schafen und Ziegen bis hin zu Rindern und Pferden. Seltener werden auch kleinere Kadaver z. B. von Rehen, Hunden, Hasen, Füchsen und ähnlichen Tieren genutzt.

Am Aas müssen Gänsegeier größeren Raubtieren wie Wolf und Schakal sowie dem Mönchsgeier den Vortritt lassen, gegenüber allen anderen Aasfressern ist die Art dominant. Innerhalb der am Aas anwesenden Geier bildet sich ebenfalls bald eine Rangordnung aus. Das ranghöchste Tier zeigt dann einen Drohmarsch, bei dem es in aufrechter Haltung mit einem ausgeprägten Stechschritt zum Kadaver läuft, und hält damit alle Artgenossen vorerst auf Distanz. Bei noch geschlossenem Tierkörper reißt es dann meist erst die Bauchdecke auf, um mit dem langen Hals die inneren Organe zu erreichen. Oft werden hierzu aber auch natürliche Körperöffnungen erweitert, vor allem die Analöffnung. Wenn das ranghöchste Tier mit dem Kopf im Kadaver frisst, kommen auch die rangniederen Tiere zum Kadaver, der dann bald von einer Masse fressender Geier bedeckt ist. Die Tiere fressen gelegentlich so viel, dass sie Teile der Nahrung wieder herauswürgen müssen, um abfliegen zu können.

Vom Mai 2013 in den französischen Pyrenäen ist bekannt, dass die Leiche einer durch einen 300-m-Absturz getöteten Bergsteigerin binnen 2 Stunden offenbar von Gänsegeiern bis auf die Knochen aufgefressen worden ist. Als ein Rettungshubschrauber eintraf, wurden die über der Stelle kreisenden Vögel und ihre Spuren im Schnee rundum gefunden. Schon 2012 gab es einen ähnlichen Fall in den Pyrenäen. Eine Vogelexpertin erklärte, dass Gänsegeier Verletzte nicht angreifen würden.

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Paarungsgewohnheiten

PAARUNGSVERHALTEN

Gänsegeier sind sehr gesellig und brüten meist in Kolonien, die mehr als 100 Brutpaare umfassen können. Die Paare verteidigen gegen Artgenossen nur den unmittelbaren Nestbereich. Die Balz besteht aus gemeinsamem Kreisen und „Tandemflügen“, bei denen ein Partner jede Flugbewegung des anderen Vogels kopiert. Gelegentlich nimmt das Männchen etwas Nistmaterial in den Schnabel und folgt dann während einiger Minuten dem Weibchen in der Luft.

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Die Nester werden in Felswänden auf Bändern unter Überhängen oder in nach vorn offenen Nischen und Höhlen gebaut. Sie bestehen aus Stöckchen und Zweigen und werden mit grünen Zweigen oder Gras ausgelegt. Der Legebeginn fällt im gesamten Verbreitungsgebiet recht einheitlich in den Zeitraum Ende Dezember bis Ende März. Im Nationalpark Monfragüe in Spanien wurde beobachtet, dass Gänsegeier zunehmend Mönchsgeier verdrängen, indem sie deren Nester besetzen.

Das Gelege besteht nur aus einem Ei, das meist reinweiß ist oder selten kleine rotbraune Flecken aufweist. Eier aus Spanien messen im Mittel 92,0 × 70,1 mm, Eier vom Balkan sind annähernd gleich groß. Beide Partner brüten, die Brutzeit dauert 47 bis 57 Tage. Das Junge wird auch abwechselnd von beiden Partnern mit Nahrung versorgt, die im Kropf zum Nest gebracht und dort ausgewürgt wird. Der Jungvogel verlässt das Nest im Mittel nach etwa 135 Tagen, in Südeuropa etwa Mitte Juli bis Mitte August. Er wird noch einige Wochen von den Elternvögeln versorgt und wandert dann ab. Die Abwanderung erfolgt ungerichtet.

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POPULATION

Populationsgefährdung

Der europäische Bestand wurde um das Jahr 2004 auf 23.800–24.100 Brutpaare geschätzt, der Großteil davon lebt in Spanien mit allein etwa 22.500 Paaren. Mehr als 100 Brutpaare gibt es in Ländern Europas ansonsten nur noch in Frankreich (etwa 640 Brutpaare), Portugal (415–422) und Griechenland (170–190). Zum asiatischen Bestand gibt es keine gesicherten Zahlen, der Weltbestand wurde 2008 von Birdlife International grob mit etwa 100.000 Paaren veranschlagt.

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Bestand und Verbreitung in Europa waren in historischer Zeit weit größer, das Verbreitungsgebiet reichte auch viel weiter nach Norden. Für Baden-Württemberg ist ein Brutvorkommen im Mittelalter oder in der frühen Neuzeit auf der Schwäbischen Alb belegt, vermutlich war die Art in Deutschland damals aber viel weiter verbreitet. Noch Anfang des 20. Jahrhunderts brütete die Art im Massif Central, in der Vojvodina, in Moldawien, der westlichen Ukraine und Südost-Polen und war in Rumänien und Bulgarien ein verbreiteter Brutvogel. Außer in Bulgarien (29 Paare im Jahr 2002) war die Art bis Ende der 1960er Jahre dort überall verschwunden. Als Hauptursache für die Arealschrumpfung im Norden des Verbreitungsgebietes seit dem Mittelalter gilt neben verbesserter Weidehygiene auch eine Klimaverschlechterung. Ab Ende des 19. Jahrhunderts war der Bestandsrückgang zumindest in Südosteuropa aber vor allem auf die flächendeckende Bekämpfung des Wolfs mit Giftködern zurückzuführen. Giftköder stellen bis heute die größte Gefährdung auch der Restbestände in Süd- und Südosteuropa dar. So starben auf Zypern von 51 tot gefundenen Gänsegeiern 80 % durch Pestizidvergiftungen, davon allein 36 im Jahr 1996. Im darauf folgenden Jahr halbierte sich daraufhin die Zahl der Brutpaare von 16 auf 8 und blieb seitdem praktisch unverändert.

Der größte Bestand Europas konnte sich in Spanien halten, er belief sich 1979 auf etwa 3200 Paare. Durch konsequenten Schutz der Brutkolonien und die Bekämpfung der illegalen Verfolgung stieg der Bestand seitdem stark an, 1999 wurde er wie oben erwähnt auf etwa 22.500 Paare geschätzt.In Frankreich wurde 1968 ein Projekt zur Wiedereinbürgerung des Gänsegeiers im südlichen Zentralmassiv gestartet. Auswilderungen begannen dort 1980, ab 1996 wurden außerdem auch Gänsegeier in den französischen Alpen freigelassen. Zwischen 1980 und 1986 wurden im Massif Central insgesamt 61 überwiegend immature und adulte Vögel ausgewildert, ab 1993 bis 2002 dort und in den französischen Alpen weitere 148. Diese Programme waren sehr erfolgreich. Die erste Brut wurde im Zentralmassiv bereits 1982 festgestellt, dort stieg der Brutbestand danach kontinuierlich an auf 110 Brutpaare im Jahr 2003. In den französischen Alpen wuchs der Bestand nach der ersten Brut 1998 auf 36–38 Paare im Jahr 2003 an.

Eine neue Gefährdung des Gänsegeiers ist die Nutzung der Windenergie. So wurden in Windparks in Nordspanien von 2000 bis 2006 732 getötete Gänsegeier gefunden, bis September 2016 insgesamt 1892.

Weltweit betrachtet die IUCN die Art heute als ungefährdet.

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Populationszahl

In der Roten Liste der IUCN wird die Gesamtpopulation des Gänsegeiers mit 648.000-688.000 geschlechtsreifen Individuen angegeben, was einer Bandbreite von 500.000-999.999 geschlechtsreifen Individuen entspricht. In Europa wird die Population auf 32.400-34.400 Paare geschätzt, was 64.800-68.800 geschlechtsreifen Individuen entspricht. Insgesamt wird diese Art derzeit als nicht gefährdet (LC) eingestuft und ihr Bestand nimmt heute zu.

Ökologische Nische

Der Gänsegeier spielt eine einzigartige Rolle in der Nahrungskette, die ihn unersetzlich macht. Er ist darauf spezialisiert, tote Tiere zu fressen und verhindert so die Ausbreitung von Krankheiten und trägt zu einer Art "natürlichem Recycling" bei.

Lustige Fakten für Kinder

  • Wussten Sie, dass 50 Geier einen Schafs- oder Schwarzfersenantilopen-Kadaver innerhalb von 20 Minuten in Haut und Knochen verwandeln können?
  • Geier sind in der Tat sehr hygienische Vögel und versammeln sich oft in großen Gruppen um eine bevorzugte Wasserstelle, um zu trinken, zu baden und sich zu putzen.
  • 23 Vogelarten sind als "Geier" bekannt: 16 Vögel der Alten Welt aus Europa, Afrika und Asien und sieben Arten der Neuen Welt (darunter zwei Kondore) auf dem amerikanischen Kontinent.
  • Gänsegeier haben einen schlechten Geruchssinn und verlassen sich bei der Nahrungssuche ausschließlich auf ihr ausgezeichnetes Sehvermögen - ein fliegender Geier ist in der Lage, einen 3 Fuß großen Kadaver aus einer Entfernung von 6,4 km (4 Meilen) zu erkennen.
  • Eine Gruppe von Geiern wird als Treffpunkt bezeichnet; wenn sie in der Luft kreisen, wird eine Gruppe als Kessel bezeichnet.

Referenzen

1. Gänsegeier artikel auf Wikipedia - https://de.wikipedia.org/wiki/G%C3%A4nsegeier
2. Gänsegeier auf der Website der Roten Liste der IUCN - http://www.iucnredlist.org/details/22695219/0
3. Xeno-Canto-Vogelruf - https://xeno-canto.org/585414

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