Raubwürger
Reich
Stamm
Klasse
Ordnung
Familie
Gattung
SPEZIES
Lanius excubitor
Populationsgrösse
Unknown
Lebensdauer
4-12 years
Gewicht
60-70
2.1-2.5
goz
g oz 
Länge
22-26
8.7-10.2
cminch
cm inch 
Spannweite
30-36
11.8-14.2
cminch
cm inch 

Der Raubwürger (Lanius excubitor), zuvor Nördlicher Raubwürger, ist eine etwa amselgroße Vogelart aus der Gattung Lanius innerhalb der Familie der Würger (Laniidae). Die Neubenennung wurde durch die taxonomische Revision notwendig, die 2016 den Taigaraubwürger (Lanius borealis) mit 6 Unterarten von L. excubitor abtrennte und in Artrang stellte; mit diesem dagegen wurden bis auf die Nominatform alle Unterarten des danach monotypischen Iberienraubwürgers (Lanius meridionalis) zusammengeführt. Mit Stand Ende 2018 ist der Raubwürger eine polytypische Art mit 11 oder nach anderer Einschätzung 12 Unterarten.

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Der Raubwürger ist die größte und schwerste auch in Mitteleuropa vorkommende Art dieser Würgergattung. Raubwürger sind auffallende, vor allem grau, weiß und schwarz gefärbte Vögel. Männchen und Weibchen sind einander sehr ähnlich. Außer in Mittel-, Nord-, Ost- und Teilen Westeuropas ist die Art in Afrika von der Mittelmeerküste südwärts bis in den Savannengürtel nördlich des Äquators, im Nahen- und Mittleren Osten und in Zentralasien und Südasien, ostwärts bis zum Altai und Tien Shan und südwärts bis Zentralindien verbreitet. In Europa und Asien überschreiten die Brutgebiete von L. excubitor den Nördlichen Polarkreis deutlich. Er gehört damit zusammen mit Taigaraubwürger und Braunwürger zu den Vertretern der Gattung, die am weitesten nach Norden vorgedrungen sind. Diese nördlichsten Populationen des Raubwürgers sind Zugvögel; nach Süden hin nimmt die Zugbereitschaft kontinuierlich ab; die Vögel im südlichen und südöstlichen Verbreitungsbereich sind Standvögel. Raubwürger sind streng territorial und leben in saisonalen Paaren.

Wie die Mehrzahl der Echten Würger ist auch L. excubitor ein Ansitzjäger, der von einer erhöhten Warte aus die Umgebung beobachtet und geeignete Beutetiere nach einem kurzen Gleitflug meist am Boden schlägt. Die Art erbeutet Großinsekten und andere Wirbellose, sowie unterschiedliche kleine Wirbeltiere. Der Anteil an Wirbeltieren an der gesamten konsumierten Biomasse, insbesondere an Kleinnagern und Vögeln, wird nach Norden hin größer.

Der Gesamtbestand der Art ist gemäß der Einschätzungen von IUCN, HBW und anderer Autoritäten ungefährdet (LC=least concern). Diese Bewertung erfolgt vor allem auf Grund des sehr großen Verbreitungsgebietes und des global noch immer sehr großen Bestandes. Dessen ungeachtet ist der Gesamtbestand rückläufig. In Mitteleuropa verschwand der Raubwürger aus sehr vielen Regionen. In Deutschland brüten noch maximal 2000 Paare, die meisten von ihnen in Niedersachsen und Sachsen, in Österreich bestehen zwei Restpopulationen im nördlichen Waldviertel mit einer stark schwankenden Anzahl von einigen 10 Brutpaaren, in der Schweiz brütet die einstmals regional nicht seltene Art seit 1986 nicht mehr. In der Roten Liste der Brutvögel Deutschlands von 2020 wird die Art in der Kategorie 1 als vom Aussterben bedroht geführt.

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Ta

Tagaktiv

Fl

Fleischfresser

Ba

Baumbewohner

No

Nomade

Re

Revier

Ov

Oviparie

Ne

Nesthocker

Gl

Gleitflug

La

Lauerjäger

Ve

Verfolgungsjäger

Se

Serielle Monogamie

So

Sozial

Sc

Schwarmbildend

Ti

Tierwanderung

G

beginnt mit

Aussehen

Ein erwachsener Raubwürger ist mittelgroß. Die allgemeine Farbe der Oberseite ist perlgrau mit bräunlicher Tönung. Die Wangen und das Kinn sowie ein dünner und oft schwer zu sehender Streifen über dem Auge sind weiß, und eine tiefschwarze Maske erstreckt sich vom Schnabel über das Auge bis zu den Ohrdecken; der Bereich unmittelbar über dem Schnabel ist grau. Die Schulterfedern sind weiß, und die Flügel sind schwarz mit einem weißen Balken, der aus den Basen der primären Remigranten besteht und sich in einigen Regionen leicht versetzt zu den Basen der sekundären Remigranten fortsetzt. Der Schwanz ist schwarz, lang und an der Spitze spitz; die äußeren Flügeldecken haben weiße Außenfahnen. Die Unterseite ist weiß, bei den meisten Unterarten leicht grau gefärbt. Insbesondere die Brust ist in der Regel dunkler und manchmal brauner als der Rest der hellen Unterseite und kann als undeutliches Band zwischen dem helleren Bauch und der weißen Kehle erscheinen. Der Schnabel ist groß und an der Spitze hakenförmig und fast schwarz gefärbt, aber an der Basis des Unterkiefers blass (wobei das Ausmaß saisonal variiert). Die Beine und Füße sind schwärzlich. Männchen und Weibchen sind etwa gleich groß und unterscheiden sich nur im direkten Vergleich auffällig. Bei den Weibchen ist die Unterseite grauer und in der Regel sichtbar graubraun gestreift, und die weiße Flügel- und Schwanzzeichnung ist charakteristischerweise weniger ausgeprägt (obwohl dies außer im Flug selten deutlich sichtbar ist). Flügge gewordene Jungvögel sind am ganzen Körper stark graubraun gefärbt, mit Streifen auf der Oberseite und einer undeutlichen buffy-weißen Zeichnung. Die Spitzen der Tertiärreliefs und die Flügeldecken sind ebenfalls bräunlich, mit einem schwarzen Band auf letzteren. Bei der nordamerikanischen Unterart borealis sind die Jungvögel auf der Oberseite und den Flügeln sogar ganz braun gefärbt und haben scharfe und dunkle Unterseitenstreifen. In Eurasien wechseln die Jungvögel im Herbst in ein frauenähnliches Gefieder, wobei die tertiären Streifen in der Regel erhalten bleiben. In seinem gesamten Verbreitungsgebiet erwerben die Jungvögel das Gefieder der Erwachsenen in ihrem ersten Frühjahr.

Verteilung

Erdkunde

Trotz der Abtrennung der sechs in der borealen Nearktis und der borealen Ostpaläarktis beheimateten Unterarten und ihre Eingliederung in die neue Art Taigaraubwürger Lanius borealis ist das Verbreitungsgebiet des Raubwürgers in Hinblick auf Längen– und Breitenausdehnung enorm.

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Schwerpunkt der Verbreitung liegt in der eurasischen borealen Zone, nordwärts bis etwa 70°N und ostwärts über den nördlichen Ural hinaus bis in das untere Flusssystem des Ob. Im südwestlichen Randbereich der Verbreitung wird die Art in Zentraleuropa selten; aus vielen Gebieten Mitteleuropas ist sie im Verlauf der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts verschwunden oder kommt nur mehr in Restpopulationen vor. In Westeuropa liegt der Verbreitungsschwerpunkt in französischen Massif central mit einigen weiter westlich vorgeschobenen Verbreitungsinseln. In Großbritannien und Irland brütet die Art nicht. Ebenso fehlt sie auf der Apenninhalbinsel, weiten Teilen der Balkanhalbinsel und auf den großen Mittelmeerinseln. Als Brutvogel verschwunden ist die Art auch aus der Türkei und dem Kaukasusgebiet. Die Iberische Halbinsel ist von der Schwesterart Lanius meridionalis besiedelt.

In noch größerer Dichte kommt der Raubwürger im Karpatenbogen und in Siebenbürgen und in angrenzenden Landschaften Rumäniens und Bulgariens vor. In Polen, Belarus und Teilen des Baltikums ist der Raubwürger trotz rückläufiger Brutdichte noch verbreiteter Brutvogel, ebenso im nördlichen und zentralen Teil der Ukraine und im europäischen Teil Nordrusslands, wo die Südgrenze etwa zwischen dem 50. und 54. Breitengrad schwankt. Am südlichen und südöstlichen Verbreitungsrand ist die Brutdichte wieder gering. Seine größte Ostausbreitung erreicht Lanius excubitor im mongolischen Altai und im Tien Shan in Nordwestchina, doch sind diese Regionen von L. pallidirostris bewohnt, dessen taxonomische Stellung unklar ist.

Die Brutgebiete der 2016 neu hinzugekommenen Unterarten reichen von den Kanarische Inseln über die atlantischen Küstengebiete Marokkos, das Territorium Westsahara und Mauretanien entlang der Atlantikküste südwärts bis in den zentralen Senegal, südlich von Dakar. Nach Osten hin erstrecken sie sich vom Küstenland am Mittelmeer bis weit in die Vorberge des Atlas. In Zentrallibyen endet die flächendeckende Brutzone. Weiter ostwärts brütet die Art nur mehr in der küstennahen Kyrenaika, im unteren Niltal sowie an einigen Stellen an der Westküste des Rotes Meeres. In der Sahara sind die meisten größeren und kleineren Oasen besiedelt. Die südliche Verbreitungsgrenze verläuft im Übergangsbereich von Buschsavanne zur Baumsavanne in einer nicht einheitlichen Linie etwa von Dakar nach Djibuti. Weiters ist die Art in Israel und im Libanon Brutvogel und brütet in wenigen Paaren in Syrien und im Irak. Weiter verbreitet wieder ist der Raubwürger auf der Arabischen Halbinsel, auf Sokotra, in den südlichen Küstenregionen des Kaspischen Meeres, im östlichen Iran und im südöstlichen Zagrosgebirge. In Afghanistan kommt die Art nur im östlichen Grenzbereich zu Pakistan vor, Pakistan ist dagegen fast flächendeckend Brutgebiet; dies gilt auch für Indien, wo die Art von den Vorbergen des Himalayas im Norden, südwärts bis in die Bundesstaaten Karnataka und Andhra Pradesh als Brutvogel vorkommt. Die südöstlichsten Brutplätze liegen im westlichen Bangladesch.

Aufgrund des sehr großen Verbreitungsgebietes der Art in ganz unterschiedlichen Klima- und Vegetationszonen differieren die bevorzugten Lebensräume in ihrer Detailausstattung, weisen aber wesentliche Gemeinsamkeiten auf: Immer handelt es sich um halboffene oder weitgehend offene, nach Möglichkeit kurzrasige Landschaftstypen mit verstreut stehenden Büschen und Bäumen. Ungefähr 5–15 Ansitze auf einen Hektar sollten vorhanden sein. Wesentlich ist eine gute Rundumsicht, sowie eine möglichst unbehinderte Bodensicht. Eingestreute dichtere Gehölze als Ruhezonen, sowie Hecken und Dornengestrüpp als Versteck und Spießplatz sind weitere wesentliche Requisiten. Die Höhe der Bäume spielt keine Rolle, auch ihr Alter ist unwesentlich, da diese ohnehin meist nur in Höhen zwischen 4 und 6 Metern genutzt werden. Felder und andere landwirtschaftlich genutzte Flächen, sowie möglichst unbefestigte Wege werden durchaus toleriert, stark vom Menschen gestaltete Areale und intensiv genutzte Bereiche werden dagegen gemieden.

In Mitteleuropa genügen ausgedehnte Streuobstwiesen, wenn sie zumindest in den Randbereichen Hecken und Gehölzgruppen aufweisen, Heidelandschaften mit Wacholder und anderen Busch- und Baumgruppen, Randbereiche von Mooren mit Busch- und Bruchwaldinseln diesen Habitatanforderungen. Besonders attraktiv werden diese Landschaften, wenn in ihnen Wanderviehwirtschaft betrieben wird, oder sie als Hüteweide genutzt werden. Häufig dienen auch Sekundärlebensräume wie aufgelassene Tagebaugebiete oder Truppenübungsplätze als Lebensraum. Auch Dünenlandschaften und Randbereiche von Riedflächen können sich als Brutrevier eignen. In Nordeuropa und im östlich anschließenden Tundra/Taigagürtel bewohnt die Art noch mit Büschen und einzelnen Birkengruppen bestandenen Fjäll beziehungsweise arktische Tundra, solange sie noch Büsche und Bäume sowie Felsbuckel aufweist, die als Warte dienen können. Als Habitat dienen hier auch Randzonen von zusammenhängenden Wäldern, wenn sie an offene Landschaftsformen angrenzen, ausgedehnte Lichtungen in der ersten Phase der Verbuschung, sowie von Waldbränden heimgesuchte Gebiete, ebenfalls in früher Sukzession. Weiter südlich brütet die Art in lichten Kiefernwäldern und in der dichteren Taiga vor allem in offenen Regionen entlang von Fließgewässern, zum Teil auch auf Rodungsflächen am Rande von Siedlungen.

Völlig anders stellen sich die Habitatansprüche der Art in Afrika und im zentralen und südlichen Asien dar. Hier dominieren semiaride und aride Lebensräume mit entsprechender Vegetation. In Afrika (bis auf die Regionen am Mittelmeer, wo immergrüne Macchien als Lebensraum dienen) bewohnt die Art mit Büschen und einzelnen Bäumen bewachsene Halbwüsten und Savannengebiete. Besiedelt werden Regionen um Wasserstellen, Oasen, Senken, die eine dichtere Vegetation aufweisen, und Gehölze, die sich entlang von Trockenflüssen halten können. In den Steppen Mittel- und Zentralasiens erscheint L. excubitor in Wermut- und Federgrasvegetation, die von Büschen und Sträuchern unterschiedlicher Art durchsetzt sind (Salzkräuter, Halostachys belangeriana, vor allem aber Saxaul und Pistazie).

In den Vorgebirgen des Himalayas kommt die Unterart L. e. lahtora in aufgelockerten, halboffenen, baumbestandenen Habitaten vor, nach Süden zu bevorzugt sie trockene, halbwüstenähnliche Lebensräume.

In diesen unterschiedlichen Lebensräumen bewohnen L. e. excubitor, L. e. homeyeri und L. e. leucopterus vor allem die Niederungen und Mittelgebirgslagen bis etwa 1200 Meter. Bis in wesentlich größere Höhen kommen die afrikanischen- (bis 2000 Meter im Ahaggar und im nordäthiopischen Hochland) und die asiatischen Unterarten vor (2300 Meter im Zagrosgebirge und bis 2500 Meter im Altai).

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Raubwürger Lebensraum-Karte
Raubwürger Lebensraum-Karte
Raubwürger
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Gewohnheiten und Lebensstil

Für einen Vogel in der Größe einer Amsel ist der Raumbedarf außergewöhnlich groß. In Habitaten, die ein optimales Nahrungsangebot aufweisen, kann ein Brutrevier zwar nur an die 10 Hektar umfassen, doch in der Regel sind sie mit etwa 50 Hektar wesentlich größer. Eine noch größere Ausdehnung weisen die Winterreviere auf. Raubwürger brüten bevorzugt in sogenannten Revierklumpen, deren Grenzen zum Teil recht weiträumig überlappen; exakte Angaben zu den Revierausmaßen sind deshalb problematisch. Da zwischen den einzelnen Siedlungsklumpen größere Abstände bestehen (z. B. auf der Schwäbischen Alb 6,4 km), ist die Siedlungsdichte insgesamt gering. In traditionell bewirtschafteten Agrargebieten Russlands wurden bis zu 33 Brutpaare auf 100 km² festgestellt.

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Sowohl gemeinsame Brutterritorien als auch außerbrutzeitliche Individualterritorien werden gegenüber Artgenossen energisch verteidigt, wobei es aber fast immer bei Drohgebärden bleibt. Dabei wird abhängig vom Aggressionsgrad der Schwanz gefächert, die Flügel zucken, und der Schnabel ist bei fast waagrechter, stark gebuckelter Körperhaltung vorgestreckt. Bei höchster Erregung ist das Nacken- und Kopfgefieder gesträubt. Begleitet werden diese Körperposen von rauen, kreischenden Rufen.

Auf Flugfeinde reagiert die Art sehr unterschiedlich. Naht ein Habicht oder Sperber oder eine bevorzugt Vögel jagende Vogelart (verschiedene Falkenarten, Eulen, Raubmöwen), warnt der Raubwürger intensiv und flieht in dichtes Gestrüpp. Mäusebussarde, Milane, Turmfalken, Raben, Krähen, Elstern und Häher werden während der Brut energisch attackiert und über die Reviergrenzen hinaus verfolgt. Außerhalb der Brutzeit warnt der Würger zwar, greift die Eindringlinge aber nur an, wenn sie einem Spießplatz zu nahe kommen. Vor nahenden Menschen wird während der Brut- und Nestlingszeit schon in Entfernungen von über 200 Metern gewarnt, im Winter kann die Fluchtdistanz unter 50 Meter sinken. Selten wurden auch direkte Angriffe auf Menschen beobachtet, die dem Brut- oder einem Spießplatz zu nahe kamen.

Gegenüber anderen Würgerarten besteht kein, oder nur ein mäßiges Rivalitätsverhältnis; Neuntöter brüten regelmäßig in Raubwürgerrevieren, ohne dass Aggressionsreaktionen beobachtet worden wären. Wacholderdrosseln suchen nicht selten die Nähe zu Raubwürgerrevieren und geben gelegentlich ihre Brutplätze auf, wenn die Raubwürger abziehen. Sie profitieren wahrscheinlich von der Luftraumüberwachung durch diese Würgerart. Welchen Nutzen der Raubwürger aus dieser Nähe zieht, ist nicht bekannt, doch ist auffällig, dass die im Revier brütenden Wacholderdrosseln von der Würgerart nicht angegriffen werden, und umgekehrt die Wacholderdrosseln die Würger auch nicht bekoten.

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Saisonales Verhalten
Vogelruf

Fressverhalten und Ernährung

Die Nahrung des Raubwürgers besteht fast ausschließlich aus Tieren, nur im Herbst werden in sehr geringen Mengen Früchte aufgenommen. Wühlmäuse, vor allem Arten der Gattung Microtus, Echte Mäuse sowie Spitzmäuse (Sorex sp.) überwiegen. Ihr Anteil an der Gesamtnahrungsmasse kann bis zu 90 % betragen. Daneben bilden verschiedene Kleinvogelarten einen weiteren wichtigen Nahrungsanteil. Bei hoher Schneelage können Kleinvögel zur Hauptbeute werden. Während der Jungenaufzucht, vor allem während der ersten Tage, werden verstärkt verschiedene Insektenarten, besonders Laufkäfer, Blatthornkäfer und Rüsselkäfer, aufgenommen, auch Ohrwürmer spielen in dieser Zeit eine Rolle. Selten erbeutet der Raubwürger Fledermäuse, Amphibien, Reptilien oder Fische und gelegentlich wurde die Art an Aas größerer Säugetiere beobachtet. Der Raubwürger ist in der Lage, Vögel bis zur Größe einer Wacholderdrossel und Säugetiere bis zur Größe eines Lemmings zu überwältigen und Beutetiere bis zum eigenen Gewicht im Fluge wegzutragen.

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Der Raubwürger ist vor allem ein Wartenjäger, der von meist exponierten, mehrheitlich in Höhen zwischen drei und acht Metern liegenden Ansitzen aus insbesondere den Boden seiner Umgebung nach Nahrung absucht. Wird ein Beutetier entdeckt, gleitet er steil abwärts und versucht, es nach einem bodennahen Gleitflug zu schlagen. Die Warten werden häufig gewechselt. Neben dieser Hauptjagdmethode werden Beutetiere auch in einem langsamen Suchflug entdeckt, der häufig von kurzen, relativ bodennahen Rüttelphasen unterbrochen wird. Die Beute wird hauptsächlich am Boden geschlagen, doch wurden auch erfolgreiche Flugjagden auf Kleinvögel und Insekten beobachtet. Auch im Geäst sitzende Vögel werden in einem überraschenden, sperberartigen Angriffsflug erbeutet. Bei sehr schlechter Sicht sucht der Raubwürger auch am Boden hüpfend oder schreitend nach Nahrung. Es bestehen Hinweise, dass Raubwürger UV-Licht reflektierende Urinmarken von Wühlmäusen erkennen können.Das Beutetier wird durch kräftige Schnabelhiebe oder durch einen Nackenbiss getötet und häufig auf Dornen aufgespießt oder in einer Astgabel eingeklemmt, was sowohl der Aufbewahrung und Vorratshaltung als auch der Fixierung der Beute dient, um bei ihrer stückweisen Zerlegung die ganze Kraft einsetzen zu können. Gefüllte Vorratskammern spielen auch bei der Partnerwahl eine Rolle. Eine polnische Untersuchung zeigte deutliche Veränderungen im Verhalten: In der Balz- und Vorbrutzeit wurden mehr Beutetiere aufgespießt und vor allem an den Reviergrenzen in gut sichtbarer Lage deponiert. Viele der Beutetiere wurden nicht gefressen. Während der Brutzeit und danach lagen die meisten Spießplätze relativ versteckt und nestnah und die Beutetiere wurden in der Regel verzehrt.

Inwieweit den Gesangsimitationen eine Funktion beim Beuteerwerb zukommt, ist nicht erschöpfend erforscht. Möglicherweise könnten dadurch verschiedene Kleinvogelarten angelockt werden und so leichter zu erbeuten sein.

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Ernährung Fleischfresser

Paarungsgewohnheiten

PAARUNGSVERHALTEN

Raubwürger werden gegen Ende des ersten Lebensjahres geschlechtsreif, viele der Vögel brüten aber erst im zweiten Lebensjahr zum ersten Mal. Sie führen eine monogame Brutsaisonehe; bei in einem Revierverband brütenden Paaren wurden jedoch gelegentliche Kopulationen verpaarter Weibchen mit Männchen aus Nachbarrevieren beobachtet.

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Die Paarbildung der Standvögel beginnt schon Ende Februar, die der Zugvögel – abhängig von der geografischen Breite des Brutgebietes – wesentlich später. Sie dauert fast einen Monat und ist gekennzeichnet durch einen langsamen Abbau der innerartlichen Aggression. Während dieser Anpaarungszeit verliert das Weibchen mehr und mehr seine Selbstständigkeit, bis es zum Zeitpunkt der Eiablage vollständig vom Männchen mit Nahrung versorgt wird. Auch in der Auswahl der Wartenplätze wird diese Dominanzverschiebung deutlich: Bei verpaarten Raubwürgern sitzt das Männchen immer höher und weiter außen als das Weibchen, ein Verhalten, das Bauchzeigen genannt wird. Bei der Nahrungsübergabe zeigt das Weibchen Nestlings- und Beschwichtigungsverhalten: In geduckter Körperhaltung zittert es mit den Flügeln und stößt Bettelrufe aus.

In der Zeit der Hochbalz, in der auch mit dem Nestbau begonnen wird, vollführt das Männchen auffällige Hochflüge, aus denen es, langsam abwärts gleitend, zum Neststandort zurückkehrt. Den häufigen Kopulationen gehen meist solche Hochflüge sowie Futterübergaben voraus.

Der Neststandort wird vom Männchen ausgewählt. Meist liegt er in Bäumen oder in höheren, bevorzugt mit Dornen bewehrten Büschen. Die Art des Nistgehölzes ist sehr unterschiedlich, ebenso die Höhen, in denen das Nest errichtet wird. Nester können relativ bodennah (unter zwei Meter), aber auch in relativ großen Höhen von 20 Metern und mehr errichtet werden. Baumnester liegen meist in einer besonders dichten Stelle in der Krone, nach Möglichkeit sind sie sowohl von oben als auch von unten gegen Sicht gedeckt. Oft werden sie in Hexenbesen oder in Mistelbüsche gebaut. Der Nistplatz wird häufig von höheren Bäumen überragt, von denen aus das Männchen das Nest bewachen kann. Sonnenexponierte Lagen auf Hügelkuppen oder kleinen Erhebungen zeichnen viele Neststandorte aus.

Das Nest wird vom Paar gemeinsam gebaut, das Männchen schafft jedoch das meiste Material herbei. Das voluminöse Nest wirkt von außen unregelmäßig und etwas schlampig gebaut, ist jedoch eine stabile und festgefügte Konstruktion. Verbaut werden Stängel, Zweige, Grashalme und andere Materialien. In die Außenverkleidung werden häufig dornige Zweige eingearbeitet. Für die Nestmulde verwendet diese Würgerart vor allem Federn, Tierhaare oder weiche Pflanzenteile (zum Beispiel Wollgras). Gelegentlich werden Nester mehrmals ausgebessert und über mehrere Jahre hinweg benutzt.

Das Gelege besteht aus vier bis sieben, in Ausnahmefällen bis zu neun Eiern, die in ihrer Färbung recht variabel, meist aber grünlich- oder bläulichweiß sind und vermehrt am stumpfen Pol eine bräunliche oder purpurne Fleckung aufweisen. Ihre Größe beträgt im Mittel 26,5 × 19,5 Millimeter. Der Raubwürger brütet nur ein Mal im Jahr, nur bei frühem Gelegeverlust kommt es fast immer zu einer Ersatzbrut, meist mit geringerer Eianzahl. Die Eiablage der westeuropäischen Standvögel beginnt frühestens Ende März, die der hochnordischen Populationen wesentlich später; afrikanische Brutvögel beginnen zu Beginn der jeweiligen Hauptregenzeit mit der Brut, die Brutperiode der innerasiatischen Populationen liegt zwischen April und Juni. Vollgelege können bis in den Juni hinein gefunden werden. Die Eier werden im Abstand von 24 Stunden in den Vormittagsstunden gelegt, das Weibchen beginnt erst nach der Ablage des vorletzten Eies zu brüten. Die Brutdauer liegt – abhängig von der Witterung – zwischen 15 und 17 Tagen. Die Jungen schlüpfen im Abstand von zwei Tagen, nackt und blind. In den ersten Tagen versorgt das Männchen Weibchen und Brut mit Nahrung, nach etwa einer Woche beteiligt sich das Weibchen an der Nahrungsbeschaffung, verbringt die meiste Zeit jedoch noch immer am Nest. Gelegentlich wurden sowohl unverpaarte Männchen als auch Weibchen als Bruthelfer beobachtet. Die Jungen sind nach durchschnittlich 19 Tagen flügge; sie werden noch mindestens weitere vier Wochen von den Eltern betreut, bevor sich der Familienverband nach und nach auflöst und die Jungen dismigrieren. Die Zerstreuungswanderungen sind relativ weiträumig. Wiederansiedlungen in 200 km Entfernung vom Brutgebiet wurden festgestellt. Die Paarbindung erlischt bald nach dem Wegfliegen der Jungvögel, und die Eltern wechseln in die getrennten Winterreviere oder verlassen gänzlich das Brutgebiet.

Der Bruterfolg ist insgesamt niedrig. Nur aus 32,6 % der Eier werden flügge Junge., bei optimalen Bedingungen kann die Ausfliegerate auf etwas über 50 % ansteigen. Häufigste Ursachen für Brutverluste sind klimatische Einflüsse gefolgt von Prädation, vor allem durch Krähen und Elstern, Habicht, Waldkauz und Mardern.

Nicht selten wird der Raubwürger vom Kuckuck (Cuculus canorus) parasitiert, auch intraspezifischer Brutparasitismus kommt vor.

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POPULATION

Populationsgefährdung

Der Bestand der Art ist gemäß einer Neueinschätzung von 2017 nicht gefährdet. Er wird von der IUCN mit LC (=least concern) bewertet. Die Bestandsentwicklung ist uneinheitlich: Die Art verschwand etwa ab den 1950er Jahren sukzessiv aus vielen Gebieten Mitteleuropas, wie zum Beispiel fast flächendeckend aus Baden-Württemberg, aus den Vorarlberger Brutgebieten und der Schweiz, und wurde auch in Tschechien, der Slowakei sowie in Belgien und den Niederlanden sehr selten. Mit Stand 2019 geht der Bestand in Deutschland weiter stark zurück. In Rheinland-Pfalz gab es 2019 nur noch fünf Brutpaare und fünf Reviere mit Beobachtungen, wobei sich alle Reviere auf wieder zuwachsenden Windwurfflächen befanden. Dagegen konnte die Art ihr Brutgebiet in Dänemark, Finnland und zum Teil in Nordwestrussland nicht unbeträchtlich ausdehnen. In den Schwerpunktbereichen der Brutverbreitung in Fennoskandien und im europäischen Teil Russlands brüten zumindest 330.000 Brutpaare. Ein großräumiges Monitoring in Polen 2010 ergab einen Brutbestand von 22.000–25.000 Paaren. Der gesamte europäische Bestand (ohne Russland und Fennoskandien) wird auf 69.000–160.000 Brutpaare geschätzt, davon brüten in Zentral- und Osteuropa (außer Polen) noch etwa 13.000 Paare, in Frankreich an die 1000.

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Für die Bestandseinbußen verantwortlich gemacht werden sowohl stärker atlantisch beeinflusste Großwetterlagen (die sich bei dieser Art jedoch weniger gravierend auszuwirken scheinen als etwa bei Schwarzstirnwürger, Rotkopfwürger und anderen wärmeliebenden Großinsektenjägern), die Kältewinter am Anfang der 1960er und gegen Ende der 1970er Jahre, auf Pestizideintrag zurückzuführender Mangel an Beutetieren sowie Habitatverluste durch großräumige Intensivierung der Landwirtschaft. Besonders negativ wirkte sich das Verschwinden von Randstrukturen (Hecken, Raine, Gehölzinseln) aus. Für die Bestandszunahmen in einigen nordischen Brutbereichen wurde die Kahlschlagwirtschaft ausgemacht, die in diesen Regionen praktiziert wird; die dadurch entstandenen Offenflächen bieten dem Raubwürger geeignete Lebensräume.

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Populationszahl

Laut der Roten Liste der IUCN ist die Gesamtgröße der Population des Raubwürgers unbekannt, aber in Europa wird der Brutbestand auf etwa 69.000-176.000 Paare geschätzt. Derzeit wird diese Art auf der Roten Liste der IUCN als nicht gefährdet (LC) eingestuft, aber ihr Bestand ist heute abnehmend.

Lustige Fakten für Kinder

  • Wenn sie nicht brüten, versammeln sich benachbarte Gruppen von Raubwürgern gerne in Schwarmbildend. Um die Versammlung einzuleiten, zeigt ein Vogel, der sein Revier auskundschaftet, einen Flug: Er schraubt sich spiralförmig mehrere Dutzend Meter hoch in die Luft, schwebt in der Regel kurz an der Spitze der Spirale und gleitet dann nach unten. Die Nachbarn der Gruppe reagieren mit der gleichen Art von Flug und schließlich begibt sich etwa die Hälfte der Gruppenmitglieder zum Treffpunkt, wo sie einige Zeit damit verbringen, zu plaudern, zu rufen, sich zu duettieren und sich aufgeregt um den Treffpunkt herum zu bewegen (bei dem es sich in der Regel um einen kleinen Baum oder ein Gebüsch handelt).
  • Wenn er bereit ist, einen Eindringling anzugreifen, nimmt der Raubwürger eine waagerechte Haltung ein und plustert sein Gefieder auf, indem er es zu einem kleinen Kamm entlang der Oberseite des Kopfes aufstellt.
  • Wenn sich keine Beute ins Freie wagt, durchstöbern Raubwürger das Unterholz oder sitzen in der Nähe von Verstecken und lassen ihre weißen Flügel- und Schwanzabdrücke aufblitzen, um kleine Tiere aufzuscheuchen.
  • Raubwürger versuchen manchmal, kleine Singvögel anzulocken, indem sie deren Rufe imitieren, so dass sie versuchen können, sie als Nahrung zu fangen.
  • Um die Weibchen während der Balz zu füttern und um ihre Jagdfähigkeiten zu zeigen, legen männliche Raubwürger ihre Futterverstecke an auffälligen Orten an.

Referenzen

1. Raubwürger artikel auf Wikipedia - https://de.wikipedia.org/wiki/Raubw%C3%BCrger
2. Raubwürger auf der Website der Roten Liste der IUCN - https://www.iucnredlist.org/species/103718932/155573860
3. Xeno-Canto-Vogelruf - https://xeno-canto.org/697488

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